Archivum

Mittwoch, 15. März 2006

Ganz nahe sein

Der Priester möchte in der Werktagsmesse alle, die erschienen sind, in den Altarraum auf die Chorbank (in der Art eines Synthronos) holen. Ich verweigere mich; der Priester läßt mich.
«Da ist man näher am Herrn» höre ich ihn jemandem erklären. Was ist daran falsch?
Wenn ich vor Ihm erscheine, einfach Ihm auf den Leib rücken? Das hieße, die Majestät zu verleugnen, vor der Jesaja ausrief: «Weh mir, denn ich vergehe!» Eine Nähe, die den, den man nahetritt, nicht in Seiner Wirklichkeit wahrnimmt, erscheint mir öde.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Sonntag, 22. Oktober 2006

Ein ambivalentes Messerlebnis

Eine Universitätsstadt tief in der Diaspora. Alle paar Jahre bin ich dort in der Kirche.
Jetzt ist da ein jüngerer Priester. Er zeigt bemerkenswert guten liturgischen Stil; und auch zu den Mitwirkenden scheint davon etwas vorgedrungen zu sein. Einige Formfehler nehme ich als heutzutage selbstverständlich hin — Meßdiener, die versus populum ministrieren, überflüssige Kommunionhelfer.
Die Predigt ist mir — mir! — zu fromm (Stichwort: Međugorje).
Beim Hochgebet läuft der Priester zur Hochform auf, liefert ein Bravourstück der Deklamationskunst, lebhaft, mit Emphase, mit wohlmodelliertem Ton.
Ich allerdings wünschte mir, daß die Messe nicht dargeboten, sondern zelebriert wird.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Donnerstag, 16. November 2006

Wann ist Weihnachten?

Daß das Wissen schwindet, wann Weihnachten ist, fällt schon länger auf. Auch katholische Konvente sind mittlerweile betroffen.
E-postalisch bekam ich gerade eine Terminankündigung:

W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Mittwoch, 17. Januar 2007

Öfter mal was Neues in der Messe

Seitdem vor etwa einem Jahr der Pfarrer gewechselt hat. muß ich mich an manches Neue gewöhnen. Zum Beispiel fällt die Marktmesse manchmal einfach aus; mal gibt es dann statt dessen eine Phantasieliturgie von Laien.
Als ich heute zur Kommunion treten will, merke ich, daß wieder etwas anders ist. «Leib und Blut XPi» höre ich als Spendeformel. Dann sehe ich es: der Priester hält beide Gefäße hin zur Selbstbedienung. Ich denke an den verstorbenen Papst, an die klaren Worte von «Redemptionis sacramentum», für die wir dankbar waren, und kehre um.
Ich sehne mich nach einer Liturgie, bei der ich nicht darauf zu warten brauche, was es wohl diesmal Neues gibt.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Freitag, 23. Februar 2007

Der neue Ewald & Ewald erscheint

Lange hat die Welt darauf gewartet; nun ist es geschehen:
Ich habe den e-E&E vom Herausgeber zugeschickt bekommen, habe es druckfertig gemacht, und heute kann ich die Erstauflage vom Kopierladen abholen. Morgen soll das Heft in Köln feierlich entkorkt werden — es müßte nun eigentlich Ewald & Ewald & Matthias heißen.
Gerade noch rechtzeitig in diesem Jahr! Das Jahr beginnt ja eigentlich im März, wie man an den Monatsnamen September bis Dezember erkennt und auch an der Bezeichnung «jejunium septimæ» und «jejunium decimæ mensis» für die Quatember von September und Dezember. Außerdem rechnet Orietur Occidens das Jahr sowieso von Mariæ Empfängnis an (und zwar stilo florentino); aber ein Erscheinungsdatum im März wäre doch zu verwirrend.
Letztlich ließ die innere Notwendigkeit das Heft so spät erscheinen, denn der erste Text handelt von der Osternacht — ein Thema, das in die Zeit der Erwartung des Osterfestes gehört, im Advent oder in der Weihnachtszeit fehl am Platze gewesen wäre.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Dienstag, 27. Februar 2007

In der Anbetungskirche

Aufenthalt in Münster. Ich nutze die Zeit, in die Servatiikirche zu gehen. Bei meinem Vortrag am Sonntag habe ich noch über sie gesprochen. Als ich hineinkomme, erschrecke ich: der Mittelgang, den ich geschildert habe, ist mit Bänken verstellt, es ist kein Weg mehr da, heranzutreten aufs Allerheiligste zu. Habe ich die Kirche in der Erinnerung idealisiert, oder ist ein Unglück geschehen?
Nach einiger Zeit kommt ein Priester herein, um die Kirche für die Vesper vorzubereiten. Er kniet nieder, mit beiden Knien, wie es der ausgesetzten Monstranz zukommt. Aber dann ist er etliche Zeit sehr beschäftigt im Altarraum, um die Kirche für die Vesper vorzubereiten. Jedoch erst, als er seine Arbeit beendet hat, kniet er noch einmal nieder. Zwei weitere Männer, die dazukommen, verhalten sich ähnlich.
Seinen Glauben kann ich nicht in Zweifel ziehen, wenn ich sehe, wie er niederkniet. Aber in der ausgesetzten Monstranz das zu erkennen, was sie wirklich enthält, stellt den allergrößten Anspruch an die menschlichen Möglichkeiten. Um dessen gewahr zu sein, muß ich ihm «debitas reverentias» erweisen, brauche ich es, daß auch andere das tun, vor allem die, die am Altar dienen. Erst die sichtbare Verehrung, die dem Allerheiligsten erwiesen wird, ermöglicht es, die Anwesenheit des Herrn darin wirklich zu erleben.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Sonntag, 8. Juli 2007

«Der erhöhte Herr» – wer ist das?

Seit langen Jahren bin ich wiederholt auf einen Ausdruck gestoßen, den mein Religionsunterricht nicht kannte: «der erhöhte Herr». Wer ist das?
Nun endlich habe ich es erfahren.
Eine Pfarrkirche am Rande der Großstadt. Die Apsis ist umzogen von einer Ringbank. In der Mitte, im Scheitel der Apsis, ist ein Sitzplatz um eine Stufe erhöht – während sich der Altar auf dem Fußbodenniveau befindet. Auf diesem erhöhten Sitz nimmt der Pfarrer Platz.
Nun sehe ich es: «der erhöhte Herr» ist der Herr Pastor – nicht etwa der auferstandene Christus, wie einmal ein evangelischer Theologe meinte, denn der Altar und auch das Tabernakel stehen eine Stufe tiefer.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Sonntag, 22. Juli 2007

Liturgie und anderes

Sonntagsmesse in einer norddeutschen Diasporapfarrei. Zum Evangelium treten zwei junge Leute mit Leuchtern herzu, eine junge Frau in Jeans und weißem Kapuzenpullover und ein Junge in Jeans und dunkler Windjacke, die für «Racing» wirbt.
Auch bei der Opferung und nach der Kommunion ministriert der Junge. Es ist schon sehr gekonnt, wie er sich gibt, wie er so im Vorbeigehen mit der linken Hand die Patene mit den zu konsekrierenden Hostien faßt und zum Altar bringt, wie er später ganz beiläufig das Meßbuch nimmt, in den Händen dreht und tänzelnden Schritts an seinen Platz trägt. Man kann bewundern, wie léger er sich bei all dem zu geben weiß – «cool» würde er selbst wohl sagen.
Für die Liturgie allerdings ist diese Sondervorführung kein Gewinn.
Zwischen der Apsis, die mitsamt dem Hochaltar im Dämmerlicht bleibt, und den Bänken auf den anderen drei Seiten ist ein freies Carré, in dem Sedilien und Zelebrationstischchen stehen. Das Zelebrationstischchen ist weit eingangswärts vorgezogen, so daß von der Opferung an der Priester ganz weit vorne, auf halbem Weg zum Eingang steht. Hinter ihm aber ist dann zunächst einmal – nichts.
Der Priester zeigt guten liturgischen Stil; und in der Predigt weist er, aus gegebenem Anlaß, klar den Unterschied zwischen christlichem Glauben und Buddhismus auf. Aber das Nichts, das er die ganze Zeit im Rücken hat, lenkt den Sinn doch sehr aufs Nirvana.
W.H.W

• Reden Sie mit! •
Orietur Occidens

Sonntag, 17. Februar 2008

Der Pastor

Sonntagsmesse in der kleinen Großstadtkirche. Der Pastor ist ein frommer, volksmissionarisch hochengagierter Priester. Schon vor Beginn der Messe kommt er herein, sieht nach dem Rechten, holt die Kinder nach vorne, führt ein in das, was kommt. Während der Messe achtet er darauf, das Volk mitzunehmen, spricht es immer wieder zur gegebenen Zeit an, gibt die Antworten – nach den Lesungen etwa – besonders laut, damit alle mitgerissen werden. Und immer ist er betont locker.
Mit anderen Worten: kaum sind die Kinder in der Kirche, sehen sie sich schon von ihm herumkommandiert; das Volk bekommt ständig gesagt, wo es lang geht. «Sò!» hört man ihn sagen, wenn ein notwendiger liturgischer Teil überstanden ist und er sich wieder direkt an die Leute wenden kann. Mal muß er hier, mal dort sein – dazu, auf dem Weg den Altar zu beachten (das Tabernakel steht sowieso auf der anderen Seite), ist da keine Zeit mehr.
So sieht jeder, auf wen es hier ankommt. Wer aber Raum zur Andacht, zum Gebet sucht, hat es nicht leicht. Und wer sich in der Kirche nicht gern dirigieren läßt oder wer den Herrn Pastor nicht so sehr interessant findet, bleibt weg.
Etliche kommen aus der weiteren Umgebung, die der Pastor mit seinem missionarischen Einsatz gewonnen hat. Aber derer, die wegbleiben, aus dem eigenen Pfarrbezirk, sind mehr.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Sonntag, 24. August 2008

Bischofsweihe in Edjmiaçin

Zum zweiten Mal sonntags in Edjmiaçin haben wir das Glück, eine Bischofsweihe miterleben zu können. Bemerkenswert die beiden Konsekranden: beileibe keine Funktionärstypen, wie der Westler sie vielleicht erwartet hätte, sondern bescheidene Männer, denen man ansieht, daß sie Asketen sind.
Und, auch wenn wir keines seiner Worte verstehen – Karekin II., der Katholikos der armenischen Kirche, den wir in diesem Gottesdienst erleben, zeigt sich schon in der Art seines Auftretens als eine beeindruckende Persönlichkeit.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Freitag, 25. Mai 2012

Die Agenda 1714 und ihre Musik in ihrer Kirche

Demantius, Dulichius, Crusius – Demantius kennt man gerade noch, Dulichius ist immerhin bei Guido Adler und in Riemanns Musiklexikon zu finden, aber Crusius? Fehlanzeige.
Namen aus Obersachsen, heute fast vergessen – schade!
Das Ensemble Agenda 1714, zusammen mit dem Instrumentalensemble Convivium musicum chemnicense, zeigt, wie schade das ist. Prachtvolle Musik aus dem Niemandsland zwischen Renaissance und Barock.
Woher hat dieses Ensemble diese Gesangskultur? Es sei eben die sächsische; die meisten der Sänger hätten in einem der beiden großen sächsischen Chöre ihre Ausbildung erhalten. Doch was ich höre, geht in seiner stilsicheren Besonderheit über das hinaus, was ich von Kreuzchor und Thomanern kenne.
Die deutsche Interpretation barocker Musik ist immer noch geprägt von einer rilettura romantica. Doch das Vokalensemble zeigt spätrenaissencene Klarheit, Abstinenz von romantischen Affekten – es soll nur die Musik selber sprechen. Und sie spricht.
Wie kann ein nichtprofessionelles Ensemble diesen künstlerischen Rang erreichen?
Es ist die Begrenzung: sie singen eben nicht die Literatur durch, sondern das, was ihre Musik ist. Sie zeigen sich völlig uneitel: es ist nicht von internationalen Auftritten die Rede, selbst auf eine CD muß ich (noch, so hoffe ich) verzichten. Sie singen die Musik ihrer Stadt, ihrer Kirche an ihrem Ort. Den Applaus wollen sie beschränkt wissen; es geht ganz um die Musik.
Heute freilich singen sie zwar in der Kirche, aber Geistliches und Weltliches gemischt. Dennoch schreibe ich darüber unter dem Titel Liturgica.
Begründet ist das im Verständnis des Ensembles für Bedeutung: der Ort hat eine Bedeutung, die Musik an eben diesem Ort hat eine Bedeutung. Dieses Verständnis der Bedeutung dieser Musik an diesem Ort ist auch liturgisch lehrreich.
Und nicht nur lehrreich – die Musiker meinen es wirklich so:
«Ich glaube an die Kraft der alten christlichen Liturgie und suche sie lebendig zu machen und zunächst ganz für mich zu entdecken.» Und: «In unserer säkularen Welt mitten in Beliebigkeit, Banalität, Lärm und Ignoranz gibt es eine Wahrheit, eine Kraft und eine Antwort. Ich glaube und erlebe, dass ich sie in der Musik finde und zwar in Gottes Haus», schrieb Friedemann Schmidt, der das Ensemble leitet.
W.H.W

• Antworten Sie! •
Orietur Occidens

Eucharistische Anbetung – pastorale Bruchlandung

Fronleichnam, 15. Juni 2017

Der Tag der Fronleichnamsfeier

Fronleichnam ist in Obersachsen nur in einigen (wohl durchweg sorbischen) Orten der Oberlausitz öffentlicher Feiertag. In unserem Großstädtchen wurde der Festtag bisher mit einer Abendmesse für alle Pfarreien in einer ausgeliehenen großen evangelischen Kirche und anschließender Prozession begangen. Und diese große Kirche war stets übervoll.
In diesem Jahr ist diese gemeinsame Feier auf den Sonntag verlegt. Doch am Festtag selbst gibt es Messen in den einzelnen Kirchen. So gehe ich in die Abendmesse in der Kirche unseres Gründerzeitviertels (in der im letzten Jahr sich die liturgische Situation sehr verbessert hat). An diesem Festtagabend finden sich in dieser Kirche, deren Gemeinde wohl etwa ein Drittel der Katholiken der Stadt umfaßt, etwa zwei Dutzend Menschen ein.
Nach der Messe noch eine kurze eucharistische Anbetung, die vom sakramentalen Segen abgeschlossen wird.
Doch zwischen dem einleitenden Lied und dem Tantum ergo nicht etwa stille Anbetung, sondern eine Sakramentsandacht aus dem Gotteslob.
Mir gelingt es (nach dem hörenswerten Evangelientext zu Anfang), die Worte an mir vorbeirauschen zu lassen.
Sonntag, 18. Juni 2017

Anaquinatisches Fronleichnam

Am Sonntag nun wird die Fronleichnamsmesse wieder in einer ausgeliehenen großen evangelischen Kirche gefeiert. Doch daß am Sonntag mehr Menschen teilnähmen als in früheren Jahren donnerstags, bestätigt mir der Augenschein nicht.
Aber das ist nicht zu bedauern. Nach der zweiten Lesung ist sowieso Fronleichnam zuende, nur zur Opferung wird noch «O heil’ge Seelenspeise» gesungen – als einziges Fronleichnamslied im weitesten Sinne in der ganzen Feier.
Nach der Messe folgt dann noch eine Kinderstunde mit Monstranz.
«.. man bemüht sich, die Botschaft für Kinder verständlich herüberzubringen, was aber daran scheitert, daß es keine Botschaft gibt» – so haben wir einmal geschrieben.
Immerhin: nachmittags ist die Monstranz doch noch in der Kirche zur Anbetung ausgestellt. Allerdings der Hinweis darauf kommt in den Vermeldungen erst nach der Beköstigung und nach den Spielen auf dem Hof an die Reihe.
W.H.W

• Reden Sie mit! •
Orietur Occidens