Die Kirche und
ihr Gottesdienst

 • Das Kirchengebäude •

 • Die gute Gestalt der Messfeier •

E&E 21 S.15-18 2016 
Wilfried Hasselberg-Weyandt

Domus Domini
Das Kirchengebäude

Die Kirche: der besondere Ort

Der Eindruck einer Kirche ist unverwechselbar. In unseren Regionen fällt sie meistens schon durch den Kirchturm auf; aber auch wo ein solcher fehlt: man erkennt jede Kirche als Kirche. Ihre Gestalt ist bestimmt durch den großen zentralen Raum, das Kirchenschiff. Aber solch einen Raum haben auch andere Gebäude: Theater, ältere Bahnhöfe – doch wird kaum jemand je solch ein Bauwerk mit einer Kirche verwechseln. Selbst Moscheen und (zumindest ältere) Synagogen sind von anderer Art. Die Kirche folgt einer besonderen architektonischen Formensprache, einer Formensprache, die, wenn auch gleichsam in verschiedenen Dialekten, im ganzen christlichen Raum zu finden ist. Auch eine armenische Kirche erkennt der Mitteleuropäer sogleich als Kirche.

Die Kirche in Einheit mit allen Kirchen

Das Wort «Kirche» kommt von «Kyriáke – dem Herrn gehörig». Dadurch, daß sie das sind, sind alle Kirchen vereint.
Darum liebte es die alte Kirche, eine Kirche nicht für sich allein stehen zu lassen. Das Vorbild ist Jerusalem, wo zum Martyrion, der großen Basilika, die Anastasis trat, die Grabesrotunde.
In der Folge zeigte sich diese Einheit durch Doppelkirchen und durch Kirchfamilien, von denen einige bis heute bewahrt sind (in Deutschland etwa die Paare von Kirchen in Trier, in Erfurt, in Halberstadt). Im Mittelalter waren es dann Seitenkapellen und der Kapellenkranz des Chorumgangs.
All diese Kapellen sind im kleinen, was die ganze Kirche im großen ist: Ort einer anderen Welt, der Stille, der Ruhe, der Begegnung.

Die Kirche: Ort einer anderen Welt

Solch eine Kirche hat mit ihrer Form, die tief in unserer Kultur wurzelt, eine Aussage, die wohl jeden Menschen dieser Kultur berührt. Zur Architektur tritt die Ausstattung der Kirche, oft großartige Kunstwerke, oft reich, manchmal überreich in orthodoxen Kirchen, in Barockkirchen. In alten Kirchen ist gelegentlich noch die reiche Ausmalung des Mittelalters erhalten, manchmal sind sie gar noch mit Mosaiken ausgeschmückt. Aber es gibt auch Kirchen, armenische Kirchen, Zisterzienserkirchen, andere mittelalterliche Kirchen, deren Ausmalung dem Wechsel der Zeiten zum Opfer gefallen ist, die fast nur durch ihre Architektur sprechen; und deren Ausdruck ist keineswegs weniger intensiv.
Hier gelten andere Gesetze als die des Alltags, die sich in den Formen des Gebäudes und im Verhalten der Menschen zeigen; hier findet man sich in einer anderen Welt wieder. Hier weiß sich der Gläubige in einer besonderen Weise zu verhalten.
Der Christ des byzantinischen Ritus bekreuzigt und verneigt sich tief, die rechte Hand bis zum Boden gestreckt, schon vor der Kirchentür; in der Kirche wiederholt er, zum Altar gewandt, diese Geste – die Metanie (metánoia) – dreimal. Dann begrüßt er auf ähnliche Weise die Ikonen des Herrn, der Gottesmutter und der Heiligen. Und mit drei Kreuzzeichen wird er schließlich die Kirche wieder verlassen.
Der westliche Katholik nimmt Weihwasser, bekreuzigt sich damit. Das wird er wiederholen, wenn er die Kirche wieder verläßt. Niemals geht er achtlos, geht er schräg vorm Altar vorbei – er geht durch den Mittelgang, kniet dabei stets, an der vordersten Stelle des Weges, vorm Altar nieder – und selbstverständlich auch vorm Tabernakel, wenn dieses nicht auf dem Hochaltar ist. Und er nimmt sich eine Zeit knieenden Gebets.
Aber auch der glaubensferne Mensch wird in der Kirche Respekt verspüren, eine besondere Atmosphäre erleben, zurückhaltend werden in Bewegung und Reden.
Woher solch besonderer Eindruck, solch besondere Stimmung? Wer mystischen Sinn hat, wird an all die Gottesdienste denken, die in dieser Kirche schon gefeiert wurden, an all die Gebete, die in ihr gebetet wurden. Wer es rein sachlich von außen zu betrachten sucht, wird im Zusammenklang des architektonischen Ausdrucks, der Ausstrahlung des besonderen Verhaltens der Menschen in der Kirche und der Erfahrungen des Einzelnen in Gebet und Gottesdienst den Schlüssel dazu sehen.
Dieser Ort ist heilig. Gebet und Gottesdienst heiligen den Raum, die Heiligkeit des Raums heiligt das, was in ihr stattfindet, verleiht Gebet und Gottesdienst besondere Intensität.

Die Kirche: Ort der Stille

Wer in die Kirche eintritt, wird still, alles Laute erscheint unangemessen. Natürlich ist es nicht immer leise: in den Gottesdiensten gibt es Musik, Orgelspiel, Gesang, gelegentlich kann auch ein großes Orchester spielen. Doch aller Lärm, alles Geräuschhafte bleibt draußen; auch die Kirchenmusik entspricht in ihrem Charakter der Stille, wie groß ihre Lautstärke auch in physischem Sinne sein mag.

Die Kirche: Ort der Ruhe

In diesem Raum findet der Mensch Ruhe. Es ist keineswegs die Ruhe des Nachtschlafs; es ist eine wache Ruhe, eine Abkehr von der Geschäftigkeit der Straße, von den Bemühungen des Alltags. Der Sinn wird hier frei für die Hinwendung zu dem, was wesentlich ist. Für den glaubensfernen Menschen ein Ort der Besinnung auf das, was ihn wirklich berührt, auch zur Betrachtung der Schönheit, die ihn hier umgibt. Für den Gläubigen ist er das nicht minder, doch ist er für ihn mehr: der Raum hat, die Kunstwerke haben eine Bedeutung, die er sieht, versteht; in seiner Betrachtung begibt er sich in jene Welt hinein, von der sie zeugen.

Die Kirche: Ort der Begegnung

Eine Kirche ist ein öffentlicher Ort; jeder kann hineingehen, dort beten oder auch nur seinen Gedanken nachgehen, sie betrachten, sie besichtigen. Und zugleich ist sie der privateste Ort. Der Gläubige begegnet hier in ganz besonderer Weise seinem Herrn; sein Gebet, seine Teilnahme am Gottesdienst ist zutiefst persönliche Begegnung mit dem, der «mir näher ist als ich selber» (Augustinus; eigentlich: «Tu interior intimis meis – Du bist inwendiger als mein Innerstes», Enarrationes in Psalmos, in psalmum 118, Sermo 22, 6).
Hier ist der Gläubige angekommen, er ist am Ziel.

Orietur Occidens

E&E 22 S.53-70 2017 
Wilfried Hasselberg-Weyandt

Die gute Gestalt der Messfeier

Für Heilige mag es gleichgültig sein, wie die Messe zelebriert wird; sie wissen: der Herr ist da, sie selber sind da, das genügt.
Doch ich bin kein Heiliger; ich brauche, um die Messe als das zu erleben, was sie wirklich ist, eine gute Weise der Zelebration.

Das Thema

Es geht hier um die Zelebration der Messen, wie man sie hierzulande täglich und besonders allsonntäglich erlebt. Vieles ist geregelt durch die Institutio generalis, die Grundordnung des Römischen Messbuchs, vieles bekräftigt durch Redemptionis Sacramentum, weiteres ist ausgeführt durch die Ars Celebrandi, die «Zelebrationsschule von Pfarrer Ulrich Terlinden»1. Doch nötig ist auch eine Art von Ars Celebrandi aus Laienhand, denn Laien sehen ständig, was Bischöfe und Priester selten sehen: den Gottesdienst vom Kirchenschiff aus. Es geht darum, den Laien den Weg zur Teilnahme an der Liturgie zu ebnen.
Vom Kirchenschiff aus ist manches zu sehen, zu hören, an Nachlässigkeiten, Gesten, Äußerungen, was oft große Aussagekraft hat, dabei oft dem Sinn der Liturgie zuwiderläuft. Aber viele können es nicht benennen, was diese Störung letztlich ausmacht; darum mahnt man es nicht an, man gewöhnt sich daran. Doch eben das führt dazu, daß die Liturgie nicht mehr in ihrer vollen Bedeutung wahrgenommen wird.
Hier habe ich mir die Aufgabe gestellt, auszusprechen, was stört, und auch mit dem Blick des Psychotherapeuten zu ergründen, was es eigentlich ist, was daran stört. Es geht hier nirgends darum, rein formale Abweichungen zu bemängeln, sondern das zu benennen, was als störend auffällt, und die – unbeabsichtigte – Bedeutung dieser Störung aufzuzeigen.
Die einfachste Regel ist natürlich die, daß die von den liturgischen Büchern gegebenen Ordnungen eingehalten werden (da jedenfalls, wo sie nicht widersprüchlich sind). Nicht einfach deshalb, weil das Vorschrift ist: was darin steht, ist meistens sinnvoller als persönliche Ideen, besser als die Trägheit, der gelegentlich Teile der Liturgie von der alttestamentlichen Lesung bis zum Embolismus zum Opfer fallen.
Doch es geht um mehr als nur um die Ars celebrandi des Priesters: zur guten Gestalt der Meßfeier trägt auch das Verhalten der übrigen Teilnehmer bei, derer im Altarraum und auch derer im Kirchenschiff. Auch dafür liegt Verantwortung beim Priester – er kann die Gemeinde und vor allem die Mitwirkenden im Altarraum instruieren –, aber nicht nur bei ihm: ein jeder kann durch sein Beispiel dazu beitragen – und natürlich ist das Beispiel des Zelebranten und der Mitwirkenden im Altarraum besonders gewichtig.

Das Wesentliche der guten Art der Zelebration

Im Brennpunkt aller Regeln steht immer das Wesen der Liturgie: sie ist Begegnung des Herrn mit dem Gläubigen. «Der äußere Ritus der Kirche ist das Gewand des Herrn», sagte Theophan der Klausner.
Getragen wird alle angemessene Zelebration vom Bewußtsein dessen, was man tut, daß man vorm Herrn steht. Alle Riten, alle Texte sind dessen Ausdruck, der formale Vollzug allein genügt nicht. Gottesdienst kann nichts von Schaustellerei haben: jeder, der eine liturgische Funktion ausübt, muß sein Handeln als Gottesdienst verstehen.
Man kann nicht nicht kommunizieren, ist ein Grundsatz der Kommunikationspsychologie: man kann sehen, ob eine Kniebeuge, eine Verneigung Ausdruck der Verehrung ist oder nur äußerliche Befolgung einer Vorschrift. Darum steht im Mittelpunkt der Regeln die innere Haltung des Zelebranten und ebenso aller Teilnehmer, besonders derer im Altarraum, doch auch derer im Kirchenschiff.
Andererseits geht es nicht nur um Bewußtsein und innere Haltung: Der Glaube muß sichtbar sein – Worte genügen nicht: Ausdruckslosigkeit führt zu Bedeutungslosigkeit.
Die, die am Gottesdienst teilnehmen, im Kirchenschiff ebenso wie die am Altar, sollen hier die intime Begegnung mit ihrem Herrn erleben. Alles Handeln des Priesters muß von Achtung davor geprägt sein. Er verzichte darauf, als Person in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit zu treten, sehe sich statt dessen als Diener der heiligen Handlung: es geht nicht um ihn, sondern um die Begegnung mit dem Herrn. Er verzichte darauf, die Gläubigen pastoralpädagogisch zu bevormunden, lasse ihnen statt dessen inneren Raum für die Begegnung mit dem Herrn.

Bevor die Messe beginnt

In der Kirche

«Der Eifer um Dein Haus verzehrt mich» – dieses Wort aus einem Psalm Davids (Ps. 68 [69], 10) wird vom Evangelisten (Joh. 2, 17) auf Jesus selbst übertragen. Nicht minder heilig als der Tempel ist eine jede Kirche; daß das wahrnehmbar ist, liegt nicht nur an der Architektur – das muß sich im Verhalten aller ausdrücken, beginnend damit, daß man sich mit Weihwasser bekreuzigt, wenn man sie betritt.
Symbole des Herrn sind besonders der Altar und das Kreuz. Es ist «der Altar, der die Gabe heiligt» (Matth. 23, 19): so ist der Altar selber heilig, der christliche Altar nicht minder als der des Tempels – und selbstverständlich nicht nur dann, wenn darauf das Tabernakel steht. Niemals geht man achtlos, geht man schräg vorm Altar vorbei – man geht durch den Mittelgang, kniet dabei stets, an der vordersten Stelle des Weges, vorm Altar nieder.
Jede Kniebeuge vorm Altar, die wirkliche Verehrung ausdrückt, zeigt mehr den Glauben an die Gegenwart des Herrn, als irgendeine Predigt das kann.

Der Stil der Liturgie

Der heilige Franziskus, der «Poverello», der die Armut liebte und verkündete, forderte die Oberen seines Ordens auf, die Kleriker demütig zu bitten, «calices, corporalia, ornamenta altaris et omnia, quae pertinent ad sacrificium, pretiosa habere debeant – sie sollen Kelche, Corporalia, Altarschmuck haben und alle[die Dinge], welche zum [Meß-] Opfer gehören, die kostbar sind» (Epistola ad custodes I, 2. 3). Entsprechendes wie für die materiellen Geräte gilt natürlich für das «das Gewand des Herrn», die Liturgie selbst.
«Hochzuschätzen ist auch die Messe, die mit einer Gemeinschaft, vor allem mit der Pfarrgemeinde, gefeiert wird, da diese die Gesamtkirche zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort darstellt, besonders aber in der gemeinsamen Feier am Sonntag»: so beschreibt die Grundordnung (113.) jene Messe, die im Deutschen Hochamt genannt wird. Dieses Hochamt ist die exemplarische Form der Liturgie (in den orthodoxen Kirchen die einzige!); ihm kommt es zu, daß dem Ritus besondere Achtsamkeit gewidmet wird: der Einzug soll von Gesang begleitet werden (47.); Einzug durch die Mitte des Volks zeigt die Zusammengehörigkeit von Klerus und Gemeinde. Liturgischer Gesang am Altar, am Legile und Weihrauch tragen dazu bei, inneren Raum zu schaffen für Teilhabe am heiligen Geschehen.
Schlichte, stille Werktagsmessen haben einen hohen Wert; doch das Hochamt ist gleichsam die Schule, in der man lernt, das Wesen der Meßfeier zu verstehen, es auch in der schlichten Gestalt solcher Werktagsmessen wahrzunehmen.
Die Forderung der Liturgiekonstitution des II. Vaticanum nach «edler Einfachheit» («Ritus nobili simplicitate fulgeant»; SC. 34) wird mehrfach von der Grundordnung zitiert (292.; 325.; 351.). «Nobili simplicitate»: diese Forderung lehnt sich an Johann Joachim Winckelmanns Formel «edle Einfalt und stille Größe» an («Einfachheit» statt «Einfalt» ist durch die Rückübersetzung über «simplicitas» hierher gelangt). Das heißt, daß hier ein klassizistisches Ideal vorgegeben wird: nicht Kargheit, sondern Vorherrschaft der Struktur über das Dekor.

Die sakralen Geräte

Jener Forderung des heiligen Franziskus nach kostbaren Geräten schließt sich die Grundordnung an mit der Forderung nach edlem Metall (328.), edlen Materialien (329.; 330.).
«Unter den für die Messfeier erforderlichen Dingen werden die sakralen Gefäße mit besonderer Ehrfurcht behandelt, darunter vor allem der Kelch und die Patene ...» steht in der Grundordnung (327.); das gilt natürlich ebenso für das Korporale. Diese Dinge umschließen den Leib, das Blut des Herrn; wer mit ihnen umgeht, muß sich dessen stets bewußt sein. Darum ist liebevolle Aufmerksamkeit immer angezeigt, gerade auch wenn sie vor der Messe zur Kredenz getragen oder danach zurückgebracht werden. Es darf es nicht darum gehen, diese Aufgaben möglichst zügig hinter sich zu bringen – auch der Küsterdienst ist Gottesdienst; jeder, der ihn tut, muß das an seinem Verhalten sichtbar werden lassen.

Die Lieder

Der Organist hat in unserem Gottesdienst eine wichtige Aufgabe. Sinnvolle Laiendienste in der Kirche sind etwa solche, die ihn entlasten: es ist sehr viel besser, wenn im Chorraum ein Kantor singt, als wenn ein Lautsprecher die Stimme des Organisten nach vorne transportiert. Und wo Liedernummern projiziert oder elektronisch angezeigt werden, sollte dafür jemand anderes bereit stehen: zumindest die Nummer für den Gesang des Sanctus kann der Organist kaum rechtzeitig anzeigen – so verbringt die Gemeinde die Zeit des Gabengebets allzuoft mit Blättern.
Jedes Lied, das geeignet ist, in der Liturgie Platz zu haben, hat seinen eigenen Wert; man darf es nicht umfunktionieren, indem man einzelne Strophen auswählt, um ihnen einen Sinn zu geben, den das Lied eigentlich nicht hat. «Großer Gott, wir loben Dich» ist eine Übertragung des Te Deum ins Deutsche, die zweite oder dritte Strophe ist kein Sanctus.

Die Zeiten der Messe

In orthodoxen Kirchen kann man sehen, daß an Sonn- und Festtagen Nachtwache und Göttliche Liturgie stets zur gleichen Zeit stattfinden, gleichgültig ob das Fest staatlicher Feiertag ist oder nicht. In lateinisch-katholischen Kirchen dagegen sind Messen an Festen, die staatlicherseits Werktage sind, oft spärlich. Und häufig gibt es für sie auch in Kirchen, in denen Vorabendmessen üblich sind, keine Vorabendmesse; selbst eine Messe, die an einem solchen Vortagabend regulär angesetzt ist, wird allzu oft als Werktagsmesse begangen.

Der Ablauf der Messe

Priester und Ministranten legen die liturgischen Gewänder an. Keineswegs eine Äußerlichkeit: die Gewänder zeigen, daß sie alle nicht als Privatpersonen zum Altar treten, sondern einen Dienst ausüben. Darum muß, wer immer mit dem Zelebranten einzieht zur Meßfeier, wer immer an den Altar tritt, liturgische Gewänder tragen2. Was ihre Gewänder bedeuten, müssen sie verwirklichen durch ihr Verhalten während der Liturgie – und ganz besonders der Priester: er ist Diener, hat nicht persönliche Nähe zur Gemeinde zu suchen, sondern den Weg zu bereiten für die Begegnung aller mit dem Herrn.
Im heidnischen Gottesdienst auf Bali fungieren stets ein brahmanischer und ein buddhistischer Priester gemeinsam, als Ausdruck des dort herrschenden Synkretismus. Ein solches Nebeneinander ist dem christlichen Glauben fremd.
Es ist der eine Christus, das eine Opfer, das in der Messe gegenwärtig wird; darum ist es auch der eine Priester, der, in persona Christi das Sakrament vollziehend, in gewisser Weise selber Christus symbolisiert. Darum hat er eine herausgehobene Position, beim Einzug geht er als letzter (Inst. gen. 120.). Auch wenn mehrere Priester konzelebrieren, ist einer, um diese Einheit zu zeigen, der Hauptzelebrant; er geht als letzter (Inst. gen. 210.). Der Grundordnung nach soll der Diakon, wenn er nicht das Evangeliar trägt, neben dem Priester gehen (Inst. gen. 172.); doch da dem Augenschein nach dann einfach die zwei nebeneinander gehen, ist das ungünstig – der Diakon trage besser das Evangeliar. Ebenso muß der Priester, bei einer Konzelebration der Hauptzelebrant, zum Altarkuß zur Mitte des Altars treten, die anderen zu seiner Seite oder nach ihm.
Die Rolle des Priesters ist dabei eine doppelte: vor allem tritt er selber als Gläubiger vor seinen Herrn; andererseits ist seine Rolle, in persona Christi zu handeln, so symbolisiert er in gewisser Weise den Herrn.
Der Priester wird hierzulande in aller Regel versus populum zelebrieren, also hinterm Altar stehend. Beide Zelebrationsrichtungen haben ihre Bedeutung: die Celebratio versus Dominum zeigt, daß der Priester wesentlich zur Gemeinde gehört, wenn auch in herausgehobener Position, mit ihr zusammen vor den Herrn tritt; die Celebratio versus populum zeigt, daß er in persona Christi der Gemeinde gegenübertritt. Da der Priester aber immer auch Mensch ist ebenso wie alle in der Gemeinde, ist es gut, wenn er nicht sogleich nach dem Einzug die herausgehobene Stellung hinter dem Altar einnimmt, sondern unmittelbar zum Altar hinaufsteigt, ohne zuvor um ihn herumzugehen, und so zeigt, daß auch er sich als Mensch, als Gläubiger dem Heiligtum, dem Altar nähert.
Notwendigerweise versus populum steht der Priester, wenn er sich ans Volk wendet, etwa den Segen erteilt. Besonders gilt das, wenn etwa Erstkommunikanten, Firmlinge, neue Meßdiener vor den Altar treten, um ihre Katechese zu beginnen oder ihr Amt aufzunehmen. Und sie treten vor den Altar, vor den Priester, der sie im Namen des Herrn aufnimmt. Werden sie in der Kirche, im Gottesdienst vorgestellt, so werden sie vor allem dem Herrn vorgestellt und dadurch gleichsam nebenbei auch der Gemeinde. Ganz sinnwidrig wäre es, wenn plötzlich die, die aufgenommen werden, versus populum stehen, der Priester aber, Rücken zum Volk, vor sie tritt. Wollte man sie primär der Gemeinde vorstellen, so hätte das seinen Ort im Gemeindesaal. Und Gleiches gilt für Eltern oder Paten bei der Taufe.
Eine Begrüßung des Volkes geschieht durch den liturgischen Gruß. Danach kann der Grundordnung zufolge der Priester (oder auch sonst jemand) «die Gläubigen mit ganz kurzen Worten in die Tagesmesse einführen» (Inst. gen. 50.). Das nun ist eben nicht die Begrüßung (das war ja die liturgische Formel); ganz besonders ist es der Liturgie nicht angemessen, wichtige Personen hier besonders anzuführen – vor dem Herrn sind alle gleichermaßen wichtig.
Gelegentlich ist zu erleben, wie ein Priester schnell die liturgischen Formeln spricht, um dann gleichsam aufzuatmen, und nun locker zu reden beginnt. Doch sind die liturgischen Texte das Wesentliche, nicht die persönlich formulierten Worte; das darf durch die Sprechweise nicht konterkariert werden. Auch sollten diese «ganz kurzen» Worte dem Stil der Liturgie angemessen sein. Zu wünschen ist, daß Priester und alle Mitwirkenden bereit seien, mit dem, was sie persönlich einbringen möchten, hinter der Liturgie, die allen gehört, zurückzutreten.
Auch vor den Lesungen und vor der Präfation sind solche kurzen Worte erlaubt (Inst. gen. 31.); vor den Lesungen mag das angehen, vor der Präfation aber wäre es eine sehr störende Unterbrechung der heiligen Handlung.
Auch wenn der Priester in gewisser Weise den Herrn repräsentiert: er steht ihm nicht gleich und erst recht nicht höher. Darum sollte der Sitz des Priesters nicht auf gleicher Ebene mit dem Altar stehen, und erst recht kann er nicht höher stehen.
Für den Bußakt ist die Besprengung mit Weihwasser mit dem Gesang des Asperges me eine besonders schöne Form für den Sonntag (nicht für Feiertage, die nicht auf einen Sonntag fallen). Dabei sollte allerdings nicht der Eindruck von Beliebigkeit entstehen: wird sie gewählt, so sollte das regelmäßig geschehen.
Die Vermischung des Bußaktes mit dem Kyrie beeinträchtigt beide Teile der Liturgie; das Kyrie ist die feierliche Anrufung des Herrn, dessen Erbarmen fürs ganze menschliche Leben erbeten wird, nicht nur für die Vergebung der Sünden.
Beim Kyrie wird jeder Ruf «in der Regel zweimal vorgetragen; doch sind weitere Wiederholungen nicht ausgeschlossen, sofern ...» (Inst. gen. 52.). Im Kyrie wird der dreifaltige Gott angerufen3; das zeigt, aus der Hand eines Heiligen, der Kyrie-Tropus Kyrie, fons bonitatis, den der Thomas v. Aquin für Fronleichnam gedichtet hat4. Traditionell wird jeder Ruf dreimal gesungen: dadurch wird die Perichorese in der Dreifaltigkeit symbolisiert, die besonders schön angesprochen wird in diesem Kyrie-Tropus des heiligen Thomas. Darum ist es gut, jeden Ruf dreimal zu singen, wo immer es dieser Regel nach möglich ist. Kyrie-Tropen oder „Kyrie-Litaneien“, in denen jeder Ruf auf Christus umgemünzt ist (wie sie im GL häufig sind), entstellen den Bezug auf die Dreifaltigkeit, sind darum zu vermeiden.
«Das Gloria ist ein sehr alter und ehrwürdiger Hymnus ... Der Text dieses Hymnus kann nicht gegen einen anderen ausgetauscht werden» (Inst. gen. 53.). Das heißt, es ist nicht erlaubt, es gegen eines der „Glorialieder“ zu ersetzen, wie sie das GL anbietet, und ebensowenig ist es erfreulich: natürlich können sich all diese Lieder nicht mit der dichterischen und geistlichen Qualität des Hymnus messen. Ganz unmöglich aber ist es, ihn etwa in der Weihnachtszeit durch ein Lied zu ersetzen, in dem irgendwo die Zeile «Ehre sei Gott in der Höhe» auftaucht.
Die Lesungen sind der zentrale Teil der „Liturgie des Wortes“. Es ist ein Verlust, wenn nur verkürzte Texte gelesen werden, auch wenn es formal gestattet ist wie bei der Passion.
Den Antwortpsalm zwischen den Lesungen oder die „Akklamation“ vorm Evangelium durch ein Lied zu ersetzen ist weder schön noch erlaubt (Inst. gen. 61.).
Beim Evangelium, und der Grundordnung nach, schon bei der „Akklamation“ vorm Evangelium hat das Volk der Grundordnung gemäß zu stehen (60.; 62.). Auch die Passion ist Evangelium: es ist absurd, wenn sich nach der „Akklamation“ zur Passion alle setzen; das Wesen der Passion fordert, daß alle stehen bleiben, deren körperliche Verfassung das zuläßt – weder von den Hohenpriestern noch von Pilatus wurde dem Herrn ein Sitzplatz angeboten.
«Die richtige Zeit für eine Predigt muß zehn Minuten sein, höchstens fünfzehn», stellte der seinerzeitige Sekretär der Kongregation für den Gottesdienst, der heutige Kardinal Ranjith Patabendige, in einem Interview fest5.
Im Glaubensbekenntnis bestätigt jeder, der an der Eucharistiefeier teilnimmt – ob er nun es selber mitspricht, mitsingt oder sich innerlich dem Gesang anschließt –, daß er den Glauben der Kirche teilt; es ist gleichsam sein Ausweis für die Teilhabe. Darum kommt es auf den Wortlaut an; es gibt keinen anderen Text, der es ersetzen könnte. Lieder „zum Glaubensbekenntnis“ können es begleiten, nicht ersetzen.
Und selbstverständlich ist das Glaubensbekenntnis der Messe das Glaubensbekenntnis der ganzen Kirche, das Nicaeno-Constantinopolitanum (die orientalischen Kirchen haben leicht abweichende Texte, doch ohne einen dogmatischen Unterschied). Das sogenannte Apostolicum hat seinen Platz bei der Taufe, nicht hier. In der Gemeinschaftsmesse der Mitte des XX. Jahrhunderts pflegte, während der Priester das lateinische Credo sprach, die Gemeinde das deutsche Apostolicum zu sprechen. Nach dem II. Vaticanum wurde auch dem Volk das große Credo zugestanden; doch nach wenigen Jahren fiel man ohne echten Grund zurück in die alte Gewohnheit.
«Im Allgemeinen Gebet» trägt das Volk «Gott Bitten für das Heil aller vor» (Inst. gen. 69.). Die Anliegen sollten wirkliche Anliegen der Kirche, der Welt, des Ortes sein, nicht eine Fortsetzung der Predigt mit anderen Mitteln. Im byzantinischen Ritus sind die Fürbitten täglich die gleichen; dennoch spornen sie mehr zum Mitbeten an als die eher nach einer thematischen Konzeption zusammengestellten Fürbitten, die in unseren Kirchen verbreitet sind. Aber wenn die byzantinischen auch nicht frei formuliert werden, so erscheint in ihnen oft eine Bitte für namentlich genannte Kranke («.. und richte sie / ihn auf von ihrem / seinem Lager!») – solche Bitten sind in lateinischen Kirchen kaum je zu hören.
Die Grundordnung gibt eine «Reihenfolge der Anliegen» vor, vier Kategorien (70.). Den Grundgedanken des Allgemeinen Gebets («Bitten für das Heil aller») und diese Kategorien zu beachten könnte dazu führen, diese Fürbitten zu einem wirklichen «Gebet der Gläubigen» zu machen. Und die letzte dieser Kategorien («d) für die örtliche Gemeinschaft») bietet auch Raum für die Bitte für einen einzelnen Kranken. Hierher gehört auch die Fürbitte für Verstorbene, nicht etwa zur Vermeldung der Zeit von Seelenamt und Beerdigung (bei der die Gemeinde zudem meistens noch sitzt).
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Fürbitten zu formulieren, beide seit dem christlichen Altertum in Gebrauch: an die Gemeinde gerichtet («Laßt uns beten für ...») oder aber an den Herrn («Herr, gib ...»). Im ersteren Fall muß der, der die Bitten vorträgt, zum Volk gewandt stehen, im letzteren zum Altar.
Das Volk «drückt seine Bitte» üblicherweise «durch eine gemeinsame Anrufung aus» (Inst. gen. 71.). Bei dieser gemeinsamen Anrufung vermeide man Originalität: die Liturgie schafft Raum für die Teilnahme der Gemeinde, nicht für irgend jemandes interessante Einfälle. Achtung: Der Ruf «Kyrie eleison – Herr, erbarme Dich» allein richtet sich, wie die Liturgie der Ostkirche zeigt, an Gott, den Vater, der dreifache Ruf «Herr – Christus – Herr, erbarme Dich» an die Dreifaltigkeit, der Ruf «Wir bitten Dich: erhöre uns», wie die Allerheiligenlitanei zeigt, an Christus. Bei der Fürbitte für Verstorbene können die Verse «Herr, gib ihnen ...» und «Laß sie ruhen ...» hinzukommen. Sonstige Rufe sollte es nicht geben: die «edle Einfachheit» fordert klare Strukturen.
Mit der Darbringung der Gaben beginnt der zentrale Teil der heiligen Handlung. Während der Gabenprozession ist ein Gesang angeordnet (Inst. gen. 74.). Er darf darüber hinaus die Gabenbereitung begleiten. Das ist besonders sinnvoll, wenn der Chor singt; es kann auch bei Gemeindeliedern geschehen, doch wenn nur die Orgel spielt, hat die Gemeinde mehr Aufmerksamkeit frei für die liturgische Handlung. Keineswegs sollten die pseudojüdischen Texte des Meßbuchs laut gesprochen werden: mit ihrem «.. und der menschlichen Arbeit» konterkarieren sie zu sehr die eigentliche Aussage der wirklichen jüdischen Segenssprüche, daß Gott es ist, der die Gaben schafft und schenkt; und sie zeigen bemerkenswerte Ignoranz: «Frucht der Erde» bezeichnet im jüdischen Sprachgebrauch Kräuter, wie schon ein Blick in eine Haggada šel’Pesach zeigt.
Wird nun ein Gemeindelied gesungen, so kann der Priester nicht, wenn er seine Aufgaben zur Gabenbereitung abgeschlossen hat, ins Lied einstimmen: in der Liturgie macht man etwas ganz oder aber gar nicht; und er hat eben nicht ganz, von Anfang an, mitgesungen.
Die Liturgie sollte sich nie mit Zweitrangigem begnügen; und willkürlicher Wechsel sollte vermieden werden. Die ausdrucksstärkste Einleitung für das Gabengebet ist auch die ursprüngliche, im lateinischen Meßbuch ist sie die einzige; sie sollte stets gewählt werden: «Betet, Brüder und Schwestern».
Das Gabengebet ist das Innehalten zwischen der Darbringung und der Wandlung. Ursprünglich, soweit die klaren Bezeugungen zurückreichen – «Secreta» hieß es früher –, wurde es deshalb leise gesprochen. Heute ist es sinnvoll, auch wenn die Präfation mit ihren Einleitungsformeln im Hochamt gesungen werden soll, das Gabengebet schlicht zu sprechen, „sine nota“.
Vor der Präfation einige einführende Worte zu sagen, ist zwar formal erlaubt (Inst. gen. 31.), zerstört aber – selbst wenn hier nur die Meßintention genannt wird – den Zusammenhang der eucharistischen Feier, zerreißt, um die Metapher des heiligen Theophan zu verwenden, «das Gewand des Herrn».
Vom Gabengebet an bis zur Kommunion steht der Priester an der Mitte des Altars, und es ist der zentrale Teil der Meßfeier: gerade jetzt, und besonders, wenn der Priester, wie meistens hierzulande, versus populum zelebriert, sind auch kleine Gesten von großer und dabei oft von ungewollter Bedeutung.
Dieser Platz an der Mitte des Altars steht nur dem Priester, dem Hauptzelebranten zu. Wer sonst noch am Altar und, ganz besonders, mit dem Priester hinterm Altar steht, hat sich zur Mitte zu wenden, zu den Gaben oder, bei einem entsprechenden Dienst, zum Priester; keineswegs kann er, als stehe er ebenfalls in persona Christi dort, aufs Volk zu blicken. Und es ist wichtig, bis zur Kommunion, um der Einheit des Sakraments willen, daß es sichtlich allein der Priester ist, der in der Mitte steht.
Zum Sanctus stellt Redemptionis Sacramentum die Liturgen vor ein Dilemma. In der Grundordnung steht (41.): «Andere Arten der Kirchenmusik [als der Gregorianische Choral], besonders aber die Mehrstimmigkeit, werden keineswegs ausgeschlossen, sofern sie dem Geist der liturgischen Handlung entsprechen und die Teilnahme aller Gläubigen fördern» (ein Zitat der Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium, Art. 116).
In Redemptionis Sacramentum wird aber gefordert (53.): «Während der zelebrierende Priester das eucharistische Hochgebet spricht, „soll gleichzeitig nichts anderes gebetet oder gesungen werden; auch Orgel und andere Musikinstrumente sollen schweigen“». Nun sind aber die mehrstimmigen Meßkompositionen seit der Renaissance so gestaltet, daß sie während des Hochgebets gesungen werden; die Länge der Stücke entsprach der liturgischen Ordnung, die beim Gesang einer polyphonen Messe das Sanctus vor, das Benedictus nach der Elevation singen ließ.
Doch enthält jener Artikel von Redemptionis Sacramentum ein Zitat aus der Grundordnung (32.), durch Anführungsstriche gekennzeichnet. Dort aber heißt es im Zusammenhang: «Die Texte, die der Priester als Vorsteher spricht, verlangen von ihrem Wesen her, dass sie mit deutlicher und lauter Stimme vorgetragen und von allen aufmerksam angehört werden. Deshalb ist gleichzeitig nichts anderes ...» Das bezieht sich sicher auf den Segen oder priesterliche Akklamationen; daß das Hochgebet nicht gemeint sein kann («.. verlangen von ihrem Wesen her ...»), zeigt auch der Vergleich mit den Riten des Ostens: von der byzantinischen Orthodoxie bis zur chaldäischen Kirche des Ostens ist es selbstverständlich, daß vom Priester große Teile des Hochgebets leise gesprochen werden, während der Chor singt.
Wie auch immer: weder darf der Eindruck entstehen, während des Chorgesangs warte der Priester nur ab, bis sein Teil beginnt, noch sollte, um an anderer Stelle Zeit zu sparen, das II. Hochgebet gewählt werden, nur weil es kurz ist. Erlebt man, daß sich die Gemeinde zum Sanctus setzt, so zeigt das einen Mangel an Katechese.
Wird ein einfaches Sanctus von der Gemeinde gesungen, so sei der Priester achtsam, besonders wenn er versus populum zelebriert. Wenn er mitsingt und dabei statt auf den Altar zur Gemeinde blickt, so wirkt das lächerlich: der Priester singt die Gemeinde an, die Gemeinde den Priester. Wenn er zum Gesangbuch greift, es über dem Altar und über den dargebrachten Gaben in der Hand hält, so erscheint das als Abkehr, als Unterbrechung des Hochgebets, als Abwendung vom Altar und den Gaben darauf. Wird sein Gesang durchs Mikrophon verstärkt, so beschädigt das den Gesang der Gemeinde.
Für die Auswahl des Hochgebets stellt die Grundordnung Richtlinien auf (365.), die nicht verpflichtend sind, aber sinnvoll: für die höchsten Feste das I. Hochgebet, das auch für Sonntage den Vorzug genießt, «aus pastoralen Gründen» kann das III. an seine Stelle treten (a)); nachträglich wird unter d) für Sonntage im Jahreskreis auch das IV. genannt. Das II. sollte «vor allem an den Tagen unter der Woche genommen» werden.
«Es ist sehr angebracht, dass der Priester die Teile des Eucharistischen Hochgebets singt, die mit Noten versehen sind» (Inst. Gen. 147.) – wo immer es liturgischen Gesang gibt (was in jedem Hochamt sein sollte), kann der vornehmste Teil der Liturgie, die Wandlung, davon nicht ausgenommen werden.
«Wenn du Gästen etwas bringst, halte es immer mit beiden Händen, auch wenn es leicht ist, aus Achtung vor den Gästen!» hörte ich einmal einen afrikanischen Vater seinem Sohn erklären. Um so mehr muß bei der Elevation die Hostie ebenso wie der Kelch mit beiden Händen erhoben werden.

Auch die syrisch-antiochenische Kirche kennt dieses Symbol:

Die Hostie über dem Kelch, der noch ihre Unterseite umfängt: so finde ich es als Symbol für die Eucharistie auf dem Einband eines Buches aus der hohen Zeit der Liturgischen Bewegung6 – die klassische Form der „Kleinen Elevation“ am Schluß der Wandlung. Die Anordnung der Grundordnung (151.), «die Patene beziehungsweise die Hostienschale mit der Hostie» zusammen zu erheben, erschwert es, diese Form zu verwirklichen; natürlich aber bleibt sie das Ideal. Jedenfalls geht es bei der „Kleinen Elevation“ darum, die Einheit von Leib und Blut Christi zu zeigen; darum ist es wichtig, daß beide nicht in einiger Entfernung voneinander erhoben werden, sondern in sichtbarer Einheit.
Die Idealform des Friedensgrußes ist in der armenischen und der syrisch-antiochenischen Kirche erhalten geblieben: der Friede kommt vom Altar, vom Herrn, der Priester gibt den Frieden den Diakonen, sie geben ihn an Laien weiter, diese geben ihn ihrerseits weiter, bis ein jeder den Frieden empfangen hat. Ebenso wurde er traditionell in der lateinischen Kirche weitergegeben – nur beschränkte er sich hier seit langem auf den Klerus.
Diesem Ideal nähern sich auch Anweisungen der Grundordnung: «Der Priester kann den liturgischen Diensten den Friedensgruß geben, wobei er jedoch immer innerhalb des Altarraumes bleibt, damit die Feier nicht gestört wird» (154.). «Es ist aber angebracht, daß jeder nur mit den Nächststehenden auf schlichte Weise das Friedenszeichen austauscht» (82.). Ein Rundschreiben der Gottesdienstkongregation7 hat unter dem gegenwärtigen Pontifikat weiter für eine angemessene Weise des Friedensgrußes geworben: «Wo familiäre und profane Gesten des Grußes eingerissen sind, könnten sie durch andere, angemessenere Gesten ersetzt werden» (6.b). Ein Handschlag, der nach alltäglicher Begrüßung aussieht, ist kein angemessener Friedensgruß. Ganz sinnwidrig ist, wenn jemand zum Altar tritt und dem Zelebranten die Hand reicht.
Besonderer Achtsamkeit bedarf die Kommunionausteilung. Schon in meiner Studienzeit hörte ich eine junge Frau sagen: «Wenn ich mir vorstellen würde, die Hostie sei wirklich Leib Christi, könnte ich nicht zur Kommunion gehen.» Redemptionis sacramentum geht darauf ein (cap. IV, 1.): «[83.] ... Es kommt aber bisweilen vor, dass die Christgläubigen massenweise und ohne Unterscheidung zum heiligen Tisch hinzutreten. Es ist Aufgabe der Hirten, diesen Missbrauch mit Klugheit und Festigkeit zu korrigieren. [84.] ... muss man darauf achten, dass nicht aus Unwissenheit ... sogar Nichtchristen zur heiligen Kommunion hinzutreten ... Es obliegt den Hirten, die Anwesenden zu gegebener Zeit darauf hinzuweisen, dass Wahrheit und Ordnung streng zu beachten sind.»
Der Kern dieses Problems aber liegt zu tief, als daß es sich durch Hinweise allein beheben ließe – es ist am Ritus, jeden, der zur Kommunion geht, wahrnehmen zu lassen, was er empfängt. Und durch den Ritus muß sich der Glauben daran zeigen.
«Die Gläubigen kommunizieren kniend oder stehend, wie es die Bischofskonferenz festgesetzt hat» (Inst. gen. 160). Das Angemessenste ist natürlich, im Knien die Kommunion zu empfangen.
Es «ist eine Tatsache, daß die kniende Haltung eines Gläubigen kein Grund sein kann, um ihm die Kommunion zu verweigern» (Litterae Congregationis [de Cultu Divino et Disciplina Sacramentorum], Prot. n. 1322/02/L, Rome, 1 July 2002 / notitiae, p. 582 [17]).
Wird im Stehen kommuniziert, wie es hierzulande allgemein üblich geworden ist, so ist dazu eine «geschuldete Ehrfurchtsbezeugung» «empfohlen» (Inst. gen. l.c.). Solch einer Ehrfurchtsbezeugung bedarf es dringend, auch wenn sie noch auf ihre offizielle Einführung wartet. «Da bin ich auch nach vorne gegangen und habe auch einen Keks bekommen», erzählte ein junger Mann aus kirchenfernem Elternhaus.
Wie die Handkommunion zu empfangen ist, ist bei Cyrill von Jerusalem beschrieben (Mystagogische Katechesen V, 21), bei konzelebrierenden Priestern des byzantinischen Ritus noch heute zu sehen: man legt die linke Hand «unter die rechte wie einen Thron», empfängt die Hostie in der rechten Hand und beugt sich etwas nieder, um sie aus dieser Hand aufzunehmen. Dagegen ist es ausdrücklich verboten, die Hostie selbst zu nehmen – «per semetipsos accipere» (Inst. gen. 160); die heute weitverbreitete Sitte, die Hostie sich mit der rechten Hand selber zu nehmen, nachdem man sie in der linken empfangen hat, ist also untersagt. Demzufolge darf, so Redemptionis Sacramentum (cap. IV, 2. [104.]), bei Kommunion unter beiderlei Gestalten niemand selber die Hostie in den Kelch tauchen.
Wer nicht darauf achtet, rechnet kaum damit, daß sich von der Hostie Teilchen lösen könnten; tatsächlich aber geschieht das, nicht sehr oft, aber auch nicht ganz selten. «Wirst du also nicht noch viel achtsamer dafür sorgen, daß dir von dem, was viel wertvoller ist als Gold, auch nicht ein einziges Krümlein herunterfalle?» (Cyrill von Jerusalem, l.c.) – die Kommunikanten müssen darauf hingewiesen werden, daß sie nach der Handkommunion die Hände nach solchen Teilchen absuchen müssen. Und besonders Priester (und Diakon und Kommunionhelfer) müssen darauf achten, daß keine Teilchen beim Friedensgruß und bei der Kindersegnung während der Kommunionausteilung verwischt werden.
Zum Schutz davor, daß etwas herabfalle, ist die Kommunionpatene vorgeschrieben (Inst. gen. 118; 287; Red. Sacr. cap. IV, 2. [93.]) – doch die ist hierzulande schon in den fünfziger Jahren nicht mehr in Gebrauch gewesen.
Vom Wesen des Sakramentes her können nur Priester den Leib Christi austeilen, den Kelch aber auch Diakone: so lehrt es der heilige Thomas (Summa theologica III, q. 82, art. 3). Die Kommunion durch «außerordentliche Kommunionhelfer» austeilen zu lassen, ist der Grundordnung zufolge nur statthaft, wenn «die Zahl der Kommunikanten sehr groß ist» (162.); Redemptionis sacramentum präzisiert: «Nur dort, wo eine Notlage es erfordert, können außerordentliche Spender dem zelebrierenden Priester nach Maßgabe des Rechts helfen» (cap. IV, 2. [88.]). «Dies muss aber so verstanden werden, dass eine gemäß den örtlichen Gewohnheiten und Bräuchen kurze Verlängerung ein völlig unzureichender Grund ist» (cap. VII, 1. [158.]).
In einem Altenheim habe ich erlebt, daß der Priester, selber Heiminsasse, «wegen fortgeschrittenen Alters ... verhindert ist» (Red. Sacr. l.c.), die Kommunion auszuteilen; sonst aber wird es hierzulande kaum solche Notlagen geben. Im allsonntäglichen Andrang zur Kommunion auch nur «eine gemäß den örtlichen Gewohnheiten und Bräuchen kurze Verlängerung» zu sehen – die eben den Einsatz von Kommunionhelfern noch nicht rechtfertigen würde! –, ist abwegig.
Sicher: eine angemessene Form der Kommunionspendung und ganz besonders den Verzicht auf ungerechtfertigte Kommunionhelfer durchzusetzen dürfte den meisten Pfarrpriestern angesichts der Machtverhältnisse in den Gemeinden kaum möglich sein: doch gebe sich damit niemand zufrieden – jeder Gläubige suche für sich die angemessene Form des Kommunionempfangs.
«Die Kirche feiert heute ...» begann in meiner Studienzeit im Dom zu Münster einer der Mitwirkenden im Chorhemd vor Beginn des Hochamts die Vermeldungen; sie waren kurz, Töpferkurse in Gemeinderäumen kamen nicht vor. Die Grundordnung (90.) erlaubt vor dem Schlußsegen «kurze Mitteilungen, falls sie notwendig sind»; doch für die Gläubigen, die gerade den Leib Christi empfangen haben, ist es äußerst störend, sich statt der Betrachtung und dem Dankgebet nun Terminen widmen zu sollen. Darum lehrt das Vorbild des Doms zu Münster, wie es zu vermeiden ist, daß solch eine Störung «notwendig» wird. Kaum minder störend ist es, wenn der Priester sein Privileg nutzt (Inst. gen. 31.), «die ganze heilige Handlung mit einem kurzen Wort» zu «beschließen»; peinlich ist es, wenn er sich mit einem unliturgischen «.. einen schönen Sonntag!» ein «Danke, gleichfalls!» einheimst. Der Priester, (nach II. Cor. 1, 24) Mitarbeiter unserer Freude, sollte darauf verzichten, an solch einer Stelle sich selbst in den Vordergrund zu stellen.

1 Die Kunst des Zelebrierens. http://ars-celebrandi.blogspot.de/
2 Die besondere Tracht von Kirchenschweizern und Fahnenträgern hat natürlich ihr eigenes Recht; doch werden diese wohl in den Chorraum einziehen, aber nicht zum Altar selbst treten.
3 W.H.W: «Kyrie eleïson». E&E 20 (2015), S. 30-32
4 Officium corporis Christi: Missa «Cibavit». http://www.corpusthomisticum.org/pcx.html#91688
5https://rorate-caeli.blogspot.de/2007/11/ranjith-speaks-episcopal-rebellion.html – das italienische Original ist nicht mehr im Netz.
6 Dr. K. Josef Merk: Die heilige Messe in ihrer Feier. Stuttgart-Degerloch 1948
7 Congregazione per il Culto Divino e la Disciplina dei Sacramenti: Lettera circolare: L&rsdquo;espressione rituale del dono della pace nella messa. http://www.webdiocesi.chiesacattolica.it/cci_new/documenti_diocesi/91/2014-08/05-107/Circolare%20Scambio%20della%20pace2.pdf

Orietur Occidens

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