Liturgica I

Dienstag, 20. September 2005

Liturgie — gut gespielt

Des Morgens in einer Vorstadt. Eine Messe sei vor meinem Vortrag, hatte man mir gesagt. Also dahin!
Es war keine Messe. Eine Frau in liturgisch wirkendem Phantasiegewand zelebrierte einen Wortgottesdienst; danach teilte sie auch die Kommunion aus.
Sie machte ihre Sache ganz stilvoll. Sie stand schräg hinterm Altar, nicht direkt dahinter, nahm nicht den Platz des Priesters ein. Beim Evangelium vermied sie das priesterliche und dia­konale «Der Herr sei mit euch»; statt des Segens sprach sie eine Segensbitte. Ihren Sinn für litur­gischen Stil kann man so manchem Priester nur wünschen.
Was war es, was dennoch so befremdete?
Es war gespielte Liturgie — nicht Liturgie als Spiel im Sinne Guardinis, sondern ein Spiel anstelle der Liturgie. Jene Frau versuchte alles der wirklichen Meßfeier so ähnlich wie möglich zu machen; was sich aber daran um so deutlicher zeigte, war, daß es unecht war, daß es eben keine Messe war, daß sie nur nachspielte.
Aus der Bank heraus, in bürgerlicher Kleidung, Lesungstexte zu lesen, Psalmen zu singen, Gebete zu sprechen wäre mehr gewesen.
W.H.W

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Samstag, 24. September 2005

Die Liturgiereform als grundsätzlicher Erfolg

Große Tagung in Maria Laach.
Ein Liturgieprofessor, angereist aus dem fernen Fribourg, schildert den Erfolg der Liturgiere­form in lebhaften Farben: die Riten seien so umgeformt worden, daß sie den Verstehensmöglich­keiten der Menschen von heute entsprechen, ihr theologischer Kern sei einigermaßen eingedrun­gen in das Bewußtsein der Gläubigen (in einem anderen Vortrag hatten wir gehört, daß 40% der katholischen Dominikanten, der sonntäglichen Kirchgänger, an die Reïnkarnation im hindui­stisch-buddhistischen Sinn glauben); Dienste von Laien werden weitgehend angemessen wahrge­nommen.
Ein Teilnehmer äußert, daß er in den ihm bekannten Kirchen ganz andere Erfahrungen gemacht habe.
Ja, pflichtet ihm der Professor bei, was er seinerseits konkret in den Pfarrgemeinden mit der erneuerten Liturgie erlebe, sei auch schlimm. Aber im Grundsätzlichen sei eben die Liturgiere­form so erfolgreich verlaufen, wie er es zuvor geschildert habe.
Aha!
W.H.W

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Montag, 3. April 2006

Gedenken des Erzpriesters Ambrosius Backhaus

Spätnachmittags auf dem Friedhof Öjendorf. Nur eine kleine Gemeinde hat sich am Grab versammelt, mühsam werden im kalten Wind Kerzen entzündet. Wenige können zum Gesang beitragen. Aber es reicht; trotz allem wird das Totengedächtnis ungeschmälert zelebriert. Gerade das Gegenüber der kargen Umstände und der Feierlichkeit des Vollzugs gibt dem kleinen Gottesdienst eine besondere Würde. Und immer mehr Menschen kommen hinzu.
Ich verstehe wenig von den slavischen Texten. So habe ich Gelegenheit zu meinem eigenen Gedenken.
Ein Jahr ist es her, daß Vater Ambrosius Samstag abend bei der Feier der Nachtwache einen Schwächeanfall erlitt, die Kirche verlassen mußte und noch in derselben Nacht starb. Ich war nicht dabei; ich wollte nicht in die Fastenzeit zurückkehren, die in der Orthodoxie noch andauerte, während wir schon die Osterwoche feierten. Aber all meine Jahre in Hamburg hindurch war für mich allmonatlich die Nachtwache in Sankt Prokop eine geistliche Oase. Von niemandem habe ich so viel über Liturgie gelernt wie von diesem Priester, obwohl ich ganz selten nur von ihm ein Wort über Liturgie gehört habe. Ihn in der Nachtwache zu erleben und dann noch wenige persönliche Gespräche, das war genug, seine große Liebe zum Herrn und zu den Menschen um ihn herum zu erfahren.
Mir hatte er noch eine Grußkarte zu unserem Osterfest geschickt; er selbst hat kein irdisches Osterfest mehr erlebt.
Was kann ich nun für solch einen Mann beten? «Herr, vergilt Deinem Diener das Gute, das wir durch ihn erfahren haben!»
«Věčnaja pamjatj» singt die Gemeinde zum Schluß — «ewiges Gedenken». „Die Liebe vergeht niemals“ (I. Kor. 13, 8) — ewiges Gedenken dem Erzpriester Ambrosius Backhaus!
Siehe auch: • Vater Ambrosius •
W.H.W
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Donnerstag, 15. Juni 2006

Fronleichnam in Hamburg

Nach zwei Jahren verbringe ich Fronleichnam wieder fernab des Abendlandes im hohen Norden. Allein die Kathedrale («Dom» wagt man hierzulande nicht zu sagen) prozediert am Festtag selbst. Dafür, daß man ja das Kathedralesein noch üben muß, ist die Liturgie ganz ansehnlich (wo ist eigentlich der Erzbischof?). Allerdings: die Laiin im liturgischen Phantasiekostüm (so’ner Art Tunizella) teilt demonstrativ die Kommunion aus, während von den zahlreich konzelebrierenden hochwürdigen Herren etliche im Chor sitzen und die geweihten Hände in den Schoß legen. Immerhin, anders als vor zwei Jahren, im Jahre 1 nach Redemptionis Sacramentum, werden die Kommunikanten nicht mehr dazu aufgefordert, den Leib des Herrn selber einzutauchen — nun verzichtet man ganz auf die Kommunion sub utraque; Mundkommunion sei in Deutschland nicht mehr möglich, erfuhr ich von einem Domherrn.
Und dann ans Vergnügen: Prozession cum omni apparatu durch St. Georg, Hamburgs neben der Reeperbahn einschlägigstes Viertel, zu einschlägiger Stunde, abends irgendwo nach acht. Wir sind in erfreulich großer Zahl präsent — durch gleichzeitige Fußballspielerei, von denen hier sonst alles redet, lassen sich Diasporakatholiken nicht beirren. Und die Lautsprecherausrüstung sorgt dafür, daß wir nicht nur unübersehbar sind, sondern auch unüberhörbar. Auf zur demonstrativen Station auf dem Hansaplatz, dem einschlägigen Platz des Viertels.
Und die Nutten blicken stumm um den ganzen Zug herum.
Ein milieuspezifisch wirkender Mann versucht zwar, etwas zu randalieren, scheitert aber an völligem Desinteresse. Ebenso ergeht es einem Autobesitzer, dem es wichtig ist, daß jeder erfahre, daß er auch eine Hupe hat.
Sicher, einiges an Wirkung wurde verschenkt. Die Liedblätter waren viel zu karg ausgestattet; und selbst die Strophen, die es dorthin geschafft hatten, wurden gelegentlich vom Lautsprecher abgewürgt. Und wenn der dann das Wort übernommen hatte, erreichte uns doch auch noch der Gesang vom Ende des Zuges, wo kein Lautsprecher mehr zu hören war.
Die Lautsprecher begannen ihren Part mit Stottern und Brummen; und als zwei von ihnen sich auf dem Hansaplatz begegneten, führten sie einen Hoquetus auf. Später wurden sie konformistischer, boten einigermaßen passende Texte, wenn sie auch — Gefahr von Lautsprechern allgemein — etwas zu Rederei neigten («Linda kommt aus Litauen. Sie betet für uns jetzt das Vater unser auf litauisch»).
Aber was macht’s? all diese Nebensachen beeinträchtigten das eigentliche Ereignis nicht:
An diesem Abend gehörte in St. Georg die Straße uns.
W.H.W

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Sonntag, 25. Juni 2006

Eine ausführliche Jubiläumsfeier

Zwölfter Sonntag im Jahreskreis — ein festliches Hochamt in Sankt Katharinen in Halberstadt. Viele schwarzgelbe Fahnen ziehen ein, dann viele Priester in weißem Ornat.
Nach dem Eingangslied begrüßt einer der Priester ganz ausführlich die Gemeinde, dann übergibt er das Wort einem anderen Priester zum Weiterbegrüßen. Spätestens jetzt weiß man, worum es hier geht: die einheimische Kolpingsfamilie feiert ihr 150-jähriges Gründungsjubiläum.
Nun folgt das Kyrie: zum ersten Mal in dieser Feier wird der Herr selbst angesprochen.
Nachdem wir in der Predigt ausführlich erfahren haben, wieviel man mit Selbstvertrauen erreichen kann, wie wichtig es auch ist, daß man in der Kolpingsfamilie zueinandersteht, hören wir auch noch, daß wir Gott vertrauen sollen.
Das Hochamt wird in guter Form fortgesetzt; allerdings scheint mir, daß «Erde singe, daß es klinge» doch eine recht freie Übersetzung von «Sanctus sanctus sanctus» ist.
Gegen Ende der Messe kommen die Vermeldungen — sehr ausführlich; dann bedankt sich der Priester sehr ausführlich bei allen und jedem. Schließlich übergibt er das Wort dem Vertreter des Bischofs für ein Grußwort, dann ergreift ein weiterer Priester das Wort (er hat eine Ehrenplaquette zu verleihen), dann wieder einer. Und keiner, der das Wort hat, läßt es so schnell wieder los.
Bin ich der einzige in dieser Kirche, der meint, daß Adolf Kolping es vorgezogen hätte, in der Meßfeier den Herrn zu feiern, die Kolpingsfamilie aber erst draußen, beim weiteren (umfangreichen) Festprogramm?
W.H.W

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Sonntag, 13. August 2006

Kinder besuchen den Gottesdienst

Sonntagsmesse in einem ostwestfälischen Kurort. Während der Kommunionausteilung kommt eine Schar von Kindern herein, ausgestattet mit hübschen bunten Bändern und einigen Betreuerinnen. Sie setzten sich irgendwo leicht seitlich zwischen Altar und Tabernakel auf den Boden. Als der Priester mit der Kommunionausteilung fertig ist, spricht er sie an, fordert sie auf, den Tanz aufzuführen, den sie gerade erlernt haben — hübsch mit bunten Bändern und den Betreuerinnen. Danach macht der Priester weiter mit der Liturgie.
Daß sie sich in einer Kirche, in einer Meßfeier befinden, erfahren die Kinder allem Anschein nach nicht.
W.H.W

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Sonntag, 19. November 2006

Kommunionhelferinnen

Sonntags in der eigenen Pfarrkirche. Ich gehe heute weiter nach vorne als sonst; so mache ich neue Beobachtungen (ich sollte doch besser hinten bleiben).
Zur Kommunionausteilung gehen zwei Frauen zum Altar. Ich kenne sie schon, freundliche, sicherlich auf ihre Weise fromme ältere Damen. Sie gehen vorm Tabernakel vorbei, das hier so wie vielerorten seitlich im Altarraum steht; sie beachten es nicht weiter.
Nachdem sie die Kommunion ausgeteilt haben, bleiben sie stehen, sie warten, bis auch der Priester fertig ist. Sie blicken in die Gegend, blicken, betont freundlich, zu den Menschen, die noch beim Priester anstehen.
Nur dem Gefäß in ihren Händen mit den konsekrierten Hostien widmen sie keinen Blick mehr.
W.H.W

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Sonntag, 3. Dezember 2006

Laienbeteiligung am Gottesdienst

Zur Nachtwache am Vorabend des Sonntags in Sankt Prokop (Nachtwache – das ist die Verbindung von Vesper, Mette und Laudes).
Der Chor singt; die Menschen im Kirchenschiff hören zu oder gehen zu den verschiedenen Ikonen, um davor zu beten. Nur eine Frau im Kirchenschiff singt mit – auch in Ordnung. Aber man weiß, bei welchen Teilen der Liturgie kein Raum ist für Ikonenverehrung; dann sind alle der liturgischen Handlung zugewandt, nehmen teil durch Kreuzzeichen und Verneigungen.
Und gerade daran, daß jeder weiß, wann der Handlung alle Aufmerksamkeit zukommt und wann auch Raum ist für persönliche Andacht, spüre ich, wie sehr all die Menschen teilhaben, diesen Gottesdienst als ihren eigenen erkennen.
Laiendienste gibt es überall da, wo sie sinnvoll sind. Zur rechten Zeit gehen drei Frauen, deren Kleidung adventliches Rot zeigt, zu den Leuchtern, um alle Kerzen anzuzünden. Aber wenn irgendwann einmal eine Kerze herunterfällt, fühlt sich der zuständig, der am nächsten steht. Beim Kommunionempfang am nächsten Morgen aber meint niemand, ein Laie müsse mithelfen, nur weil es wirklich lange dauert.
In dieser Kirche, wo jeder seine Teilnahme selbst gestaltet, erlebe ich einen ganz anderen Freiraum für die «participatio actuosa», als wenn ich in den Bänken westlicher Kirchen beliturgiert werde. Und im Hinhören auf den Chor habe ich mehr das Gefühl, mitzusingen, als wenn ich das bei irgendeinem neueren Gesangbuchlied physisch tue.
Schade – zwei Monate werde ich wohl warten müssen, bis ich hier wieder dabei sein kann.
W.H.W
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Samstag, 6. Januar 2007

Mein aramäisches Patenkind

Wieder einmal darf ich für ein Kind Pate stehen; und heute erfahre ich, was «Pate stehen» wirklich bedeutet.
In einer schönen alten Dorfkirche sind wir untergekommen. Es bereitet allerdings Arbeit, die evangelische Kirche für die syrisch-orthodoxe Taufe aufzubereiten. Das Taufbecken ist letztlich eine Kinderbadewanne; aber die Liturgie ist echt.
Fast alles, was ich von einer traditionellen katholischen Tauffeier kenne, finde ich auch hier*): J. wird mit dem Kreuz auf der Stirn bezeichnet; der Priester haucht ihn an. Dann muß ich dreimal dem Teufel widersagen, dreimal meinen Glauben bekennen: «Ich, J., widersage», «Ich, J., bekenne». Ich darf es auf Deutsch tun; danach spricht die Gemeinde das ganze Glaubensbekenntnis auf aramäisch.
Ich werde an Cyrillus von Jerusalem erinnert: ich widersage nach Westen gewandt, bekenne nach Osten. Bis dahin war J. erstaunlich still; nun aber widersagt er sehr laut. Die Mutter kommt und steckt ihm den Schnuller in den Mund. Aber mit Schnuller im Mund kann man nicht richtig bekennen; und so liegt das Ding sogleich daneben. Später dann behält er ihn länger; und schließlich ist er wieder schön ruhig.
Die Feier ist lang; und vor der Taufe selbst muß ich J. «wie einen Toten» halten, mit beiden Händen von einer Seite her. Ein Kind von sechs Wochen ist schon erstaunlich schwer; und wenn ich widersage, muß ich zudem mit meiner linken Hand seine Linke fassen, wenn ich bekenne, mit meiner rechten Hand seine Rechte. Aber es gelingt; und während ich widersage und bekenne, spüre ich sein Gewicht kaum mehr. Danach allerdings ist J. in meinen Armen eine Etage tiefer gerutscht; aber auch so kann ich ihn noch halten.
Nun wird das Wasser geweiht. Die Weihe hat die volle Gestalt einer eucharistischen Feier; und so wie auch wir es kennen, bläst der Priester in Kreuzesform auf das Wasser; dann gießt er in Kreuzesform Myron (Chrisam) hinein.
Nun nimmt der Priester J., um ihn mit Katechumenenöl zu salben. Jetzt ist er bereit: er wird getauft und dann gefirmt, mit Myron gesalbt. Er wird wieder bekleidet, mit einem prachtvollen weißen Taufkleid, das schon seine Brüder nach ihrer Taufe getragen hatten.
Ich darf ihn wieder nehmen, nun als Lebenden, mit den Händen von beiden Seiten her, trete mit ihm zum Altar. In meinen Armen wird er gekrönt mit der «Krone des Sieges», erhält er die Kommunion; und dreimal umschreite ich mit ihm den Altar.
Danach wird noch eine Verwandte von ihm getauft. Sie ist viel weniger ruhig als J.; aber nach der Taufe wird sie ganz still und friedlich. «Jetzt ist sie eben Christin», kommentiert das eine ihrer Angehörigen.
*) • Die Taufe • • Dolabani: Mysterien der Syrisch-Orthodoxen Kirche •
W.H.W

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Sonntag, 7. Januar 2007

Ein Schritt in der «Oekumene»

Heute wird eine Frau, der ich in Achtung und Sympathie verbunden bin, zur pensionierten Pastorin ordiniert. Da will ich, ohne jedwede theologische Stellungnahme, dabeisein.
Also zuvor um halb neun in die Frühmesse. So früh am Morgen ist allerdings bei unserem Pfarrer noch Epiphanie (natürlich hatte ich mir gestern schon eine Messe zum Fest gesucht). Aber danach, in der evangelischen Kirche, höre ich dann wenigstens das Evangelium von der Taufe des Herrn.
Und dann erlebe ich, daß die «Oekumene» in der evangelischen Kirche doch erste Früchte trägt: gleich nach der Ordinationshandlung wird die heilige Jungfrau angerufen; «Tu virginum corona, tu nobis pacem dona!» höre ich in Mozarts Vertonung.
Und sogar darauf, daß die Weihnachtszeit bis zum 2. Februar dauert, werden wir in der Predigt hingewiesen.
W.H.W

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Sonntag, 18. Februar 2007

Selbstexekution einer Dichterin

Kinderpredigt — ich habe Zeit, etwas im GL zu blättern (Anmerkung für Nichtkatholiken: GL nennt sich das schlechteste Gesangbuch der Kirchengeschichte).
Letzte Woche war ein Lied gesungen worden, bei dem ich mich an Bruchstücke eines anderen, deutlich besseren Textes erinnert hatte. Ich schlage also die Nummer 533 auf. Marie Luise Thurmair 1973. Das waren jene Jahre, in denen, auf daß das neue Gesangbuch fertig werde, diese Frau — von der es ja durchaus respektable Texte gibt — auch dann noch weiterdichtete, wenn ihr gar nichts mehr einfiel.
Aber dieser Text ist selbst für jene Zeit bemerkenswert peinlich:
Dir Vater Lobpreis werde und Dank für Wein und Brot;
sie sind die Frucht der Erde und unsrer Müh und Not.
Nimm an, Herr, Brot und Wein, die wir zum Opfer geben;
laß Speise sie zum Leben und Dank zum Heile sein.
Aber vom alten Text fällt mir nur die Hälfte ein. Ich sehe dann zu Hause nach, werde schließlich fündig im 1963er Anhang des Laudate. Nummer 306:
Nun bringen wir die Gaben, das Brot und auch den Wein;
was wir bereitet haben, wird bald das Opfer sein.
Erhebet das Gemüt, begreift, was nun geschieht:
der Tod des Herrn sich unter uns vollzieht.
Was wir an Gaben bringen, will auch ein Zeichen sein,
daß wir vor allen Dingen uns selbst Dir, Vater, weihn.
So laß uns vor Dir stehn, mit Deinem Sohn eingehn
in seinen Tod und in sein Auferstehn.
Keine große Dichtung, aber doch ein solides Kirchenlied.
Verblüffend ist die Verfasserangabe: M. L. Thurmair 1943!

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Sonntag, 25. Februar 2007

Levitenamt

Ein Levitenamt als Höhepunkt der X. Kölner Liturgischen Tagung. Dies ist die Form, in der sich die Liturgie der Messe am klarsten und reichsten entfaltet.
Aber in letzter Zeit habe ich Diskussionen erlebt, ob diese Form angemessen ist, wenn Priester dabei als Diakone und Subdiakone fungieren. Und ich weiß: die Ostkirche kennt so etwas nicht.
Nun erlebe ich, wie P. Deneke, früherer Regens des Priesterseminars der Bruderschaft, der gestern mit einem überragend guten Vortrag brilliert hatte, dem örtlichen Priester als Diakon dient. «Der größte von euch soll euer Diener (diákonos!) sein» (Matth. 23, 11) — dieser Akt der Demut überzeugt mich. Und so nehme ich mit ungeteilter Freude teil an dieser Meßfeier.
W.H.W

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Freitag, 2. März 2007

Auf dem Teppich

Ein Benediktinerpriorat in Norddeutschland.
Ein schöner moderner Saal dient als Kirche. Nur wie wird ein quadratischer Saal zur Kirche?
Ein kniehohes Podest rahmt den Saal ringförmig ein. Der Fußboden und das Podest sind überzogen mit mattblauer Auslegeware. Darauf stehen oben auf dem Podest Stühle, unten Bänke und der Altar aus einer Art Plexiglas, daneben noch ein Lesepult aus dem gleichen Material. Ein wenig Freilauf ist vorhanden für die Liturgie. Beherrscht wird der Raum von einer Holzbrüstung auf der Eingangsseite des Podests, einem gewaltigen «Retabel» — aus ähnlichem Material wie Altar und Pult und noch weniger schön — auf der Altarseite.
Diese Einrichtung prägt alles: dort unten, zwischen Podest, Brüstung und «Retabel», bleibt alle Liturgie auf dem Teppich. Es gibt kein Hinaufsteigen, alles geschieht vor unseren Füßen. Die Forderung des Raumes nach Banalität ist nie recht zu übertönen.
Ich denke zurück an die Kölner Kirche, in der ich vor einer Woche so beeindruckende Liturgie erlebt habe. Die Kirche war architektonisch viel weniger schön, war aber eine wirkliche Kirche, die Einrichtung stimmte: es war ein Raum, in dem sich Gottesdienst entfalten konnte.
W.H.W

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Samstag, 3. März 2007

Stille

«Mittagshore» in einem norddeutschen Benediktinerpriorat. Nach der Lesung herrscht lange Stille.
Oft habe ich die Forderung nach Stille in der Liturgie gehört, ich habe sie selbst gestellt. Nun ist sie da — und ich bin nicht zufrieden.
Was tun? Schriftmeditation? Das ist eine gute Sache, aber keine Liturgie; in christlicher Liturgie darf ich mehr erwarten. Hier gibt es kein gottesdienstliches Geschehen; wir sitzen nur und warten, warten auf das Responsorium, das dem Gesetz unserer Liturgie nach auf die Lesung folgen muß.
Stille hat ihren natürlichen Raum bei der Sekret, wenn wir stehend uns auf die Wandlung einstellen, hat ihren Raum bei der Wandlung, wenn wir kniend das Erscheinen des Herrn erleben.
Hier aber sitzen wir nur und warten aufs Responsorium.
W.H.W

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Sonntag, 25. März 2007

Sie wollen nur plaudern

In der Sonntagsmesse wird der (lange schon fertige) Neubau des Altenheims gefeiert; der Weihbischof ist gekommen.
Die Messe fängt damit an, daß Pfarrer und Weihbischof reden, so ganz locker; sie endet damit, daß Weihbischof und Pfarrer reden.
Mehr sei darüber hier nicht ausgeführt – so etwas steht schon anderswo. Mir stellt sich die Frage, was das Volk vom Gottesdienst halten wird, wenn die Hierarchen offensichtlich am liebsten plaudern wollen.
W.H.W

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Gründonnerstag, 5. April 2007

Zeit in West und Ost

Zur Liturgie in Sankt Prokop. Ich bin pünktlich.
Pünktlichkeit ist die Entscheidung, zu warten, habe ich von den Logotherapeuten gelernt. Der Gesang der vorangehenden Gebetsstunden ist längst beendet; aber die Liturgie fängt noch immer nicht an. Der Priester braucht noch etwa eine halbe Stunde zum Beichtehören — neben mir sehe ich die lange Schlange der Pönitenten.
Zuerst regt sich in mir westliche Ungeduld; aber dann bekomme ich Hochachtung: in dieser Kirche ist jeder einzelne so wichtig, daß selbst die Liturgie auf ihn wartet.
W.H.W
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Christi Himmelfahrt, 17. Mai 2007

Es gibt sie noch: die schlechten alten Gewohnheiten

Sonntagsmesse in einer halbländlichen Pfarrkirche. Die Gewohnheiten der achtziger Jahre feiern Urständ: ein «schöner Sonntag» wird gewünscht, worauf die Gemeinde in Klippschulmanier mit «Danke, gleichfalls!» zu antworten sich verpflichtet fühlt; sogar ein «meditativer Text» nach der Kommunion wird uns wieder zugemutet.
Ich allerdings weiß nach der Kommunion anderes zu meditieren als einen von irgendwem ausgewählten Text neuzeitlicher Anfertigung. Und wenn ich in der Feier des Sakraments dem Herrn selbst begegnet bin, bedarf ich auch nicht des «schönen Sonntags» vom Herrn Pastor.
W.H.W

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Pfingstsonntag, 27. Mai 2007

Ein besonderer Pfingstornat

Pfingstmesse in einem ostdeutschen Badeort. Bis auf die üblichen Einschränkungen (bei den «Vermeldungen» nach der Kommunion wird unter anderem auf eine Tanzveranstaltung hingewiesen) verläuft alles rite.
Nach der Messe ist noch jemand übriggeblieben, dem die Kommunion nachgereicht werden muß. Der Priester erscheint also noch einmal und gibt sie ihm. Sein Ornat dabei: leuchtendrote Stola, weißes Hemd mit Kollar, leuchtendrote Jeans (ohne Gürtel).
W.H.W

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Donnerstag, 7. Juni 2007

Fronleichnam in Dinslaken

Seit Jahrzehnten zum ersten Mal wieder: Prozession in Sankt Jakobus. Die Messe wird im Hof eines Altenheims gefeiert; die feiernde Gemeinde allerdings ist groß und buntgemischt, von den kleinen Kindern bis zu den altehrwürdigen Herrschaften.
Und wer nicht mehr heraus kann, hört doch die Messe in Rundfunk oder Fernsehen (es ist warm; die Fenster sind offen). Zu Anfang der Messe ist uns der Sender ein wenig voraus, aber bald holen wir auf; und als schließlich die Pax gegeben wird, ist es klar: wir haben ihn überholt, wir haben gewonnen!
Wie viele werden bleiben zur Prozession? Was auch immer zuvor überlegt worden ist: die Planung war davon ausgegangen, daß es jedenfalls nicht mehr als hundert würden. Nun: es wurden sehr viel mehr; und die technischen Mittel, die ganze Gemeinde in Gebet und Gesang zusammenzuschließen, bestanden einzig in der Stimmkraft des Kantors. Da die aber nun ausreichte, gelang es; und so wurde es eine würdige Première für eine große Zukunft.
Als wir schließlich, an der Kirche angekommen, nach altehrwürdiger Sitte «Ein Haus voll Glorie schauet» sangen, bewahrte uns rechtzeitig einsetzendes Glockengeläut vor den vom GL neukonfektionierten Strophen; und die Feier konnte ihren angemessenen Abschluß finden.
Danach sah ich noch, wie eine alte Dame, die im Rollstuhl mit prozediert war, sich beim Kantor bedankte.
W.H.W

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Sonntag, 24. Juni 2007

Was ist ein «Zeichen des Friedens und der Versöhnung»?

Festtagshochamt. Rechtzeitig zur Kommunion kommt die (ganz überflüssige) Kommunionhelferin hinaufgestiefelt zum Altar und reicht dem Zelebranten die Hand. «Guten Morgen, Herr Pastor»? Nein, bei näherer Überlegung wird klar: das ist ein «Zeichen des Friedens und der Versöhnung».
Theoretisch ist schon anderswo (Neue kritische Prüfung des «Novus Ordo Missae») dargestellt worden, daß Händeschütteln nicht zum liturgischen «Zeichen des Friedens und der Versöhnung» geeignet ist; hier nun ist es augenfällig.
W.H.W

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Sonntag, 1. Juli 2007

Versus populum

Daß es nicht der Liturgie gemäß ist, wenn der Priester «versus populum», zum Volk hin gewandt, zelebriert, ist mittlerweile vielen bekannt und von vielen anerkannt.
Aber an manchen Stellen hat es seinen Sinn, so bei der Taufe: der Täufling kommt von draußen; der Priester kommt ihm entgegen vom Altar her — also vom Herrn.
Und in der Sonntagsmesse erlebe ich es nun (wieder einmal), daß die Messe der Priester versus populum zelebriert, die Taufe aber nach vorne gewandt – zum Herrn hin also? Nein, zu den Täuflingen hin, denn die stehen plötzlich ganz vorne, versus populum.
W.H.W

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Sonntag, 8. Juli 2007

«Der erhöhte Herr»

Immer wieder bin ich auf einen Ausdruck gestoßen, den mein Religionsunterricht nicht kannte: «der erhöhte Herr». Wer ist das?
Von einem Theologen habe ich einmal gehört, gemeint sei der auferstandene Christus. Doch der Augenschein lehrt anderes.
Eine Pfarrkirche am Rande der Großstadt. Die Apsis ist umzogen von einer Ringbank. In der Mitte, im Scheitel der Apsis, ist ein Sitzplatz um eine Stufe erhöht – während sich der Altar, der Symbol Christi ist, und das Tabernakel auf dem Fußbodenniveau befinden.
Auf diesem erhöhten Sitz nimmt der Pfarrer Platz.
W.H.W

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Samstag, 18.August 2007

Hochzeit im Münsterland

In einer westfälischen Kleinstadt wird Hochzeit gefeiert in einer großen Kirche (Anmerkung für Ausländer: im Münsterland sind auch in kleinen Städten die Kirchen oft sehr groß – aus gutem Grund).
Es ist schwer, etwas über eine liturgische Feier zu schreiben, wenn alles gut und schön war.
Man kann nicht mehr dazu sagen, als daß alle eben das getan haben und das gut gemacht haben, was ihre Aufgabe ist: der zelebrierende Priester, die Choralschola, der Cantor, der Chor.
Da es sich allerdings um eine Familienfeier handelte, muß doch noch eines hinzugefügt werden: auch das Brautpaar hat einen wichtigen Teil beigetragen, indem es im Textheft die Gäste bat, «während der ganzen Liturgie auf Filmen und Photographieren zu verzichten».
W.H.W

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Freitag, 14. September 2007

Liturgie in verständlicher Sprache

In einem Kirchlein auf dem Lande wird heute abend mit dem Fest der Kreuzerhöhung auch das Inkrafttreten des Motu proprio Summorum Pontificum gefeiert. Die Liturgie ist geprägt von der Festfreude; die Kirche ist schön, und die Schola singt ganz ausgezeichnet. Textblätter mit deutschen Übersetzungen liegen bereit; aber man braucht sie wenig: der Gesang von Priester und Schola ist gut verständlich.
Aber mit «Liturgie in verständlicher Sprache» meine ich noch etwas anderes. Wer kennt das nicht: ein Sachverhalt wird beschrieben, man versteht die Worte, versteht den Inhalt; aber er wird nur äußerlich verstanden. Hört man es aber in einer Sprache, die nicht nur Wort für Wort den Inhalt formuliert, sondern von seiner Bedeutung geprägt ist, die Stil hat, die den Menschen anspricht, dann versteht man ihn in ganz anderer Weise, dann kann man ihn sich wirklich zu eigen machen. Damit ist keineswegs nur emotionale Bedeutung gemeint – vielmehr fügen sich die Dinge zusammen zur «guten Gestalt», sie zeigen ihren Sinn, ihre innere Notwendigkeit.
Als solch eine verständliche Sprache erlebe ich hier die überlieferte Liturgie: aus formulierten Glaubenswahrheiten wird erlebte und verstandene Wirklichkeit, die Gegenwart des Herrn zeigt sich mir.
W.H.W

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Sonntag, 14. Oktober 2007

Fürbitten

Das Evangelium war das von der Heilung der zehn Aussätzigen. In den Fürbitten höre ich dann Formulierungen wie: «Die Aussätzigen konnten ... Laß auch uns ...»
Diese Fürbitten sind also rein literarisch motiviert, durch vorangegangene Texte ganz anderer Funktion, und nicht durch die Not und die Sorgen der Menschen. Das eben ist der Grund, warum – nicht nur hier, sondern in aller Regel – die Fürbitten in der lateinischen Kirche mir so belanglos erscheinen, während die der byzantinischen Kirchen mich anspornen, mitzubeten.
W.H.W

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Sonntag, 28. Oktober 2007

Wie man Firmlinge einführt

Sonntagsmesse in der katholischen Kirche einer Diasporastadt. Zur «Begrüßung» werden die neuen Firmlinge vorgestellt. Eine erfreulich große Zahl junger Menschen kommt nach vorne. Sie kommen durch den Mittelgang, durch den Seitengang, stellen sich vor den Altar, versus populum natürlich. Dann stellt sich ein jeder vor; und am Schluß erzählt der Pfarrer noch kurz, mit welchen sozial- oder religionspädagogischen Spielereien sie den Firmkurs begonnen haben.
Keiner von ihnen beachtet den Altar oder würdigt ihn gar einer Kniebeuge; sie wenden ihm einfach den Rücken zu. Offenbar hat ihnen niemand etwas über die Bedeutung des Altars gesagt.
Ich weiß, ein Theologe wird das anders sehen; aber ich bin Psychologe, ich kann nicht mir nicht vorstellen, daß diese Jugendlichen an die Wirklichkeit der Sakramente werden glauben können, wenn sie nicht der Heiligkeit der Kirche und besonders der des Altars gewahr werden.
W.H.W

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Sonntag, 18. November 2007

Die Kunst der Predigt

Ein Priester predigt, den ich als Menschen und als Christen schätze.
Er hat die Gabe, Glaubensinhalte in einer ganz alltäglichen Sprache, so wie sie jedermann beherrscht, zu formulieren.
Die Folge: die Sprache klingt trivial, der Inhalt klingt trivial, auch wenn er in der Sache durchaus etwas Wesentliches trifft.
So wird niemand hinterm Ofen hervorgelockt.
Siehe auch: • Interview mit Erzbischof Albert Ranjith Patabendige •
W.H.W

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Sonntag, 17. Februar 2008

Der Pastor

Sonntagsmesse in der kleinen Großstadtkirche. Der Pastor ist ein frommer, volksmissionarisch hochengagierter Priester. Schon vor Beginn der Messe kommt er herein, sieht nach dem Rechten, holt die Kinder nach vorne, führt ein in das, was kommt. Während der Messe achtet er darauf, das Volk mitzunehmen, spricht es immer wieder zur gegebenen Zeit an, gibt die Antworten – nach den Lesungen etwa – besonders laut, damit alle mitgerissen werden. Und immer ist er betont locker.
Mit anderen Worten: kaum sind die Kinder in der Kirche, sehen sie sich schon von ihm herumkommandiert; das Volk bekommt ständig gesagt, wo es lang geht. «Sò!» hört man ihn sagen, wenn ein notwendiger liturgischer Teil überstanden ist und er sich wieder direkt an die Leute wenden kann. Mal muß er hier, mal dort sein – dazu, auf dem Weg den Altar zu beachten (das Tabernakel steht sowieso auf der anderen Seite), ist da keine Zeit mehr.
So sieht jeder, auf wen es hier ankommt. Wer aber Raum zur Andacht, zum Gebet sucht, hat es nicht leicht. Und wer sich in der Kirche nicht gern dirigieren läßt oder wer den Herrn Pastor nicht so sehr interessant findet, bleibt weg.
Etliche kommen aus der weiteren Umgebung, die der Pastor mit seinem missionarischen Einsatz gewonnen hat. Aber derer, die wegbleiben, aus dem eigenen Pfarrbezirk, sind mehr.
W.H.W
Nachtrag von Montag, 10. Mai 2010:
Dem Pastor wurde von einem Mann vorgeworfen, ihn einst – strafrechtlich längst verjährt – als Dreizehnjährigen sexuell mißbraucht zu haben. Er gestand sofort, nannte auch noch vier weitere Opfer. Er wurde seines Amtes enthoben.
W.H.W

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Samstag, 23. Februar 2008

Der echte Friedensgruß

Gelegentlich erlebt man etwas und weiß sofort: so ist es richtig, so muß es sein.
Mir schien es bisher schon eigentlich sinnvoll, daß nach dem II. Vaticanum der Friedensgruß auch für Laien wiedereingeführt wurde. Aber die Form, in der er hier vollzogen wird, ist recht ernüchternd: in einem kühnen Rundumschlag versöhnt man sich mit allen Menschen, die man mag.
Eine Meßfeier der syrisch-antiochenischen Kirche, die zu Gast ist in einem Kloster hoch im deutschen Norden. Es braucht eine gewisse Zeit, den Charme der spröden syrischen Gesangsweise zu entdecken; dann aber erweist sich diese Liturgie als sehr ausdrucksstark.
In dieser Kirche ist der urkirchliche Ritus des Friedensgrußes auch für Laien erhalten geblieben: der Priester gibt den Diakonen und Subdiakonen den Frieden, sie geben ihn an Laien weiter, die geben ihn ihrerseits weiter, bis ein jeder den Frieden empfangen hat. Es ist auffällig: man sieht sogleich, wer den Frieden schon empfangen hat, von wem also man ihn nun selbst erhalten kann. Der Friede kommt vom Altar, vom Herrn, man empfängt ihn selbstverständlich einmal – ein doppelter Empfang wäre sinnlos. Ebenso also, wie traditionell in der lateinischen Kirche der Friede weitergegeben wurde – nur beschränkte er sich dort auf den Klerus. Die Syrer geben ihn weiter, indem sie die Hände zusammenlegen – in einer wohlgestalteten Weise, die keinerlei Ähnlichkeit hat mit dem modernen lateinischen Händeschütteln, dessen Ausdruck zwischen Begrüßung und Pferdehandel oszilliert.
Und so weiß ich nun: ein Friedensgruß auch der Laien ist möglich, ohne daß es abgleiten muß in den Rummel, der hierzulande daraus geworden ist.
W.H.W

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Palmsonntag, 16. März 2008

Die richtige Antwort

Vor dem Gottesdienst gibt es Ansagen. Zuerst eine Frau: «Morgen!» höre ich sie grüßen; das Volk weiß nicht recht darauf zu antworten. Dann eine andere Frau, neue Ansagen: «Morgen!» höre ich wieder; wieder weiß das Volk nicht recht zu antworten. Die letzten Ansagen vom Pfarrer: «Gelobt sei Jesus Christus» beginnt er; und alle antworten: «in Ewigkeit! Amen.»
W.H.W

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Palmsonntag, 16. März 2008

Hosanna!

«Jesus zieht in Jerusalem ein, hosianna! Alle Leute fangen auf der Straße an zu schrein: hosianna, hosianna ...» wird während der Prozession gesungen.
Und ich frage mich, ob Lieder, um «kindgerecht» zu sein, in Text und Melodie häßlich sein müssen.
Außerdem aber ist die Aussage falsch: nicht «Hosianna» wurde gesungen, sondern «Hosanna» (Matth. 21, 8 f.; Marc. 11, 8 f.; Joh. 12, 13).
Die Ankunft Christi in Jerusalem wurde vom Volk gefeiert mit dem Ritus des Laubhüttenfestes — wie bei der Wiedereroberung Jerusalems durch die Makkabäer (I. M. 13, 51) und bei der Tempelreinigung (II. M. 10, 6 f. — daher kommt das Fest Hanukka).
Zum Ritus des Laubhüttenfestes aber gehört der Ruf «Hosanna», genauer «Hôša‘-na», nicht das «Hosianna» («Hôši‘a-nna») des 118. (117.) Psalms.
Siehe auch: Wilfried Haßelberg-Weyandt: Jüdisches Erbe im christlichen Gottesdienst und islamischer Widerhall [E&E 4/99])
W.H.W

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Osternacht, 22. März 2008

Solennité

Französische Hochämter zeichnen sich gerne durch eine Solennité aus, die sie angenehm von der Geschwätzigkeit der deutschen Familienmesse abhebt.
Solennité ist nicht ganz das gleiche wie Feierlichkeit. Sie ist geprägt durch die französischen Gesänge – wirkliche Gesänge, keine Lieder –, die den lateinischen Choral vertreten und sich sehr vorteilhaft von unseren GL-Antiphönchen unterscheiden. Verglichen mit gregorianischen Melodien sind sie viel bewegter; «et avec ton esprit» etwa ist die Umkehrung von «Le Seigneur soit avec vous».
In der Osternachtfeier aber bekommen wir eine Überdosis. Doch, es ist schön; und die Jugendlichen, die den Chor bilden, werden auf natürliche Weise in die Feier einbezogen. Und alle sind zufrieden, scheint mir.
Und doch: solch eine solenne Litanei ist keine echte Litanei mehr, hat nichts von kniefälligem Flehen. Und wenn vorm Gloria angekündigt werden muß: «Jetzt ist Ostern, jetzt können wir das Gloria singen», so denke ich, wenn man das Exultet gesungen hätte, statt es durch ein selbstgebasteltes Lucernarium zu ersetzten, so hätte man das nicht zu sagen brauchen, dann hätte sich das in der Liturgie selbst gezeigt.

Donnerstag, 27.März 2008

Nachtrag zur Solennité

Wie aber sieht eine Messe in Frankreich aus, wenn kein Raum ist für Solennité?
Heute gucke ich doch einmal auf die Uhr: 21 Minuten für die Messe (ordentlicher Usus).
W.H.W

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Sonntag, 4. Mai 2008

Das Elend des Chronisten

Was wünscht sich der Chronist? Herzhafte Priester, die herzhaft ihre Gottesdienste zelebrieren und sich dabei liturgische Schnitzer leisten, die er herzhaft monieren kann.
Und was erlebe ich? Die Sonntagsmesse will «kindergerecht» sein, ist in Wirklichkeit nur kindergärtnerinnengerecht. Die Lesungen vor dem Evangelium fallen aus, die Gebete einschließlich des Kanons sind frei formuliert; man bemüht sich, die Botschaft für Kinder verständlich herüberzubringen, was aber daran scheitert, daß es keine Botschaft gibt.
So macht das Chronistenwerk keine Freude mehr.
W.H.W

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Pfingstsonntag, 11. Mai 2008

Die Muttersprache

Heute wird mehr auf Latein gesungen als sonst in dieser Kirche: das Veni Creator – wenn auch anstelle des Introïtus –, die Sequenz. Es ist mir eine Freude.
Jedoch denke ich daran, wie in slavischen Gottesdiensten ich mich über alles freue, was auf Deutsch, nicht auf Slavisch gesungen wird. Paradox?
Nun: Latein ist doch wohl meine geistliche Muttersprache, und was mir Freude macht, ist eben, liturgische Texte in meiner Muttersprache zu hören, der geistlichen und andernfalls zumindest der weltlichen.
W.H.W

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Fronleichnam, 22. Mai 2008

Fronleichnamsfeier in der Diaspora

Die Kathedrale wird umgebaut; die Prozession, die einzige in weitem Umkreis, wird in eine Vorortpfarrei verlegt.
Zum Vater unser heißt es: «Jeder betet in seiner Muttersprache». Ich überlege, ob meine leibliche oder meine geistliche Muttersprache gemeint ist. Nun, wir sind hier in der Kirche, also bete ich es auf Latein.
Und was danach kam, darüber schweig ich; ich möchte ja meine Leser nicht deprimieren.
W.H.W

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Sonntag, 1. Juni 2008

Der Glöckner von St. Prokop

Nach der Messe Glockengeläut. Russische Kirchen haben kleinere Glocken mit hellerem Klang als westliche. Sie sind offen sichtbar aufgehängt. Als ich zusehe, sehe ich auch den Glöckner zwischen seinen Glocken stehen und sie kunstvoll in Bewegung setzen.
Nach getanem Werk überlege ich, ob ich applaudieren soll. Der Glöckner aber wartet nicht auf Beifall, sondern wendet sich – noch den Gehörschutz auf den Ohren – in die richtige Richtung und beschließt sein Tun mit einem feierlichen Kreuzzeichen.
W.H.W
 ◄ • St. Prokop • ► 

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Sonntag, 6. Juli 2008

Plagiat im GL

Zu Anfang der siebziger Jahre, spät abends nach dem Theater. «So, jetzt gehen wir ins Bett!» sagt Georg Thurmair. «Ach,» sagt Maria Luise, «ein Lied fürs neue GL schaffe ich noch. Hier ist der Katechismus, hier das Reimlexikon, das ist doch nicht viel Arbeit.»
So etwa stellt sich der Katholik die Entstehung von Liedern wie «Dank sei Dir, Vater, für das ewge Leben» vor. Aber nun entdecke ich, daß es nicht nur Katechismus und Reimlexikon waren.
Morgens ist keine Messe für mich gut erreichbar; so verschiebe ich die Teilnahme auf den Abend und begleite die Freunde in den evangelischen Gottesdienst.
Ein Lied fällt mir dort auf: «Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen». Die Melodie kenne ich: es ist die von «Dank sei Dir, Vater, für das ewge Leben». Und der Text von Johann Andreas Cramer erscheint auch irgendwie bekannt:
Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen:
wir sind, die wir von einem Brote essen,
aus einem Kelche trinken, alle Brüder
und Jesu Glieder.
So heißt es im EKG (159); die Version aus dem neuen EG (221), die ich höre, hat, politisch korrekt:
 ... Jesu Glieder,
Schwestern und Brüder.
Auch im katholischen Raum war es seinerzeit bekannt; ich finde es auch im Liederanhang zum Laudate von 1963 (320).
Die dritte Strophe des GL-Liedes (634) nun heißt:
Wir, die wir alle essen von dem Mahle,
und die wir trinken aus der heilgen Schale,
sind Christi Leib, sind seines Leibes Glieder
und alle Brüder.
Natürlich bietet auch hier die politisch korrekte Revision:
Schwestern und Brüder.
Und da das evangelische Lied am Ende schlicht:
Du wollest, Herr, dies große Werk vollbringen,
daß unter einem Hirten eine Herde
aus allen werde.
erbittet, widmet das katholische gleich zwei Strophen der Einheit der Christen.
Ein Dichter darf sich von einem älteren Lied zu einer Neudichtung inspirieren lassen (der Leser entscheide, ob er die GL-Version als inspiriert ansehen will). Aber daß die GL-Redaktion nicht die Quelle des Textes angibt, gibt der Sache einen Geruch von Plagiat.
Nachtrag von 2013:
Im neuen GL ist das Gleiche der Fall (484).
W.H.W

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Edjmiaçin

Sonntag, 17. August 2008

Festgottesdienst in Edjmiaçin

• Zwischen Ararat und Kaukasus •
Sonntag, 24. August 2008

Der Asket

• Zwischen Ararat und Kaukasus •

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Kommunionempfang

Allerheiligen — Samstag, 1. November 2008

Wer so alles liturgische Schnitzer begeht ...

Festmesse in einer Kirche am Rande des Ruhrgebiets. In der eingeschliffenen Mischung von Unbehagen und Gewöhnung nehme ich die üblichen liturgischen Schnitzer wahr: vom Lesepult, das bei der Oration angebetet wird, über den Klingelbeutel, der noch die Sekret und die Präfation beleben darf, bis zum Embolismus, der übergangen wird (bemerken manche Priester nicht, wie großartig dieser Text ist?).
Aber dann: die Kommunion verteilt der Priester allein! – was heutzutage schon ausreicht, einer Messe Festlichkeit zu verleihen.
Doch den nächsten liturgischen Schnitzer begehe – ich! Vom Ritus der Handkommunion, zu der man, wie üblich, im Gänsemarsch herantritt (im Gänsemarsch – was ist wohl die psychologische Botschaft dieses Ritus?) lasse ich mich verleiten – erst im nachhinein wird es mir bewußt –, den Leib des Herrn im Gehen zum Mund zu führen. Was würde ich wohl dazu sagen, wenn nicht ich selbst es gewesen wäre?
W.H.W

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Sonntag, 2. November 2008

Ein neuer Ritus

Requiem in der Kirche am Rande des Ruhrgebiets. Requiem? am Sonntag? Doch, das wollen die modernen Rubriken. Wirklich ein Requiem? Aber nichtsdestoweniger mit Gloria und Credo – so recht wußte man offensichtlich nicht, was man will.
Nach der Predigt ein neuerfundener Ritus: Teelichter werden entzündet und dann, von Angehörigen der in diesem Jahr Verstorbenen, unter das Kreuz gestellt.
Da sonst ich darüber klage, das der Beitrag der Gegenwart zur Liturgie nur im Abbau besteht, will ich über die Legitimität einer solchen Erfindung nicht rechten. Nur sollte man genau überlegen, was man tut.
Die Teelichter stehen direkt vorm Tabernakel, werden von dort herabgenommen, dann angezündet, den Angehörigen übergeben, nun schließlich unters Kreuz gestellt.
Wenn man von irgendwoher die Teelichter nähme, sie dann anzündete und unters Kreuz stellte, das wäre verständlich. Wenn sie angezündet vorm Tabernakel stünden, man sie so nähme und unters Kreuz stellte, auch das wäre verständlich. Aber sie lichtlos vom Tabernakel zu nehmen und sie danach anzuzünden, was bedeutet das? woher denn kommt das Licht?
W.H.W

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Sonntag, 2. November 2008

Die Bistumszeitung feiert Huub Oosterhuis’ 75. Geburtstag

Leserbrief zu „Kirche + Leben“ vom 2.XI.2008

„Seine Texte sind keine leichte Kost. Es sind formstrenge Werke, die auf der Grundlage einer genauen Bibelexegese entstanden sind und ein genaues Hinhören verlangen. Ein gefälliges Arrangement und forcierte Popularität sucht man hier vergebens.“ – damit ist nicht etwa das Werk Jochen Kleppers gemeint; nein, Kirche + Leben schreibt so über Huub Oosterhuis.
„Huub Oosterhuis war Jesuit, katholischer Priester und seit 1965 Pfarrer der Amsterdamer Studentengemeinde. Diese »Studenten-Ekklesia« war stark vom Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt und verstand sich früh als eine Werkstatt für die Erneuerung der Liturgie. Der eigenständige Weg, den die Gemeinde ging, führte in der Folge zu Auseinandersetzungen mit der Bistumsleitung, bis sich die Studenten-Ekklesia 1970 vom Bistum löste und als Basisgemeinde fortexistierte. Oosterhuis führte die Gemeinde weiter, auch nachdem er 1969 zur reformierten Kirche konvertiert war.“
Welch ein Bild zeigt da K+L vom II. Vaticanum! Eine »Studenten-Ekklesia«, die sich vom Bistum trennt und sich von einem Priester führen läßt, der sich vom Glauben der Kirche losgesagt hat – was entspräche weniger dem Willen dieses Konzils?
Zu seiner Dichtung ist zu lesen: „Dabei ging es ihm nie um größtmögliche Popularität. ... Ein gefälliges Arrangement und forcierte Popularität sucht man hier vergebens.“ Das klingt gut; jedoch an anderer Stelle heißt es: „»Wir streben eine Liturgie an«, schrieb er schon 1962, »die dem modernen Leben nicht wie eine unverständliche Welt gegenübersteht, sondern die ihre Worte und Handlungen mindestens ebenso sehr am heutigen existenziellen Erleben wie am Stil der Tradition ausrichtet.«“ Was denn nun? ».. dem modernen Leben nicht wie eine unverständliche Welt gegenübersteht ...«, ».. mindestens ebenso sehr am heutigen existenziellen Erleben wie am Stil der Tradition ausrichtet.« – das heißt, dem Menschen etwas Aktuelles, Leichtverständliches, Popularitätsfreundliches bieten zu wollen. Nicht nach Popularität zu streben hieße, sich mehr am überzeitlich-menschlichen »existenziellen Erleben« auszurichten, also an der Tradition, und so dem modernen Menschen etwas zuzumuten, was ihm nicht sogleich durchschaubar ist, aber Gelegenheit gäbe, daran zu wachsen.
Was wünscht die Kirchenzeitung zum Schluß Huub Oosterhuis zum Geburtstag? Nicht etwa, daß er zum Glauben der Kirche zurückfinde, sondern: „Es ist zu hoffen, daß seine literarische Produktivität noch lange anhält.“
W.H.W

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Sonntag, 23. November 2008

Absichten des Priesters

In meiner Pfarrkirche ist Firmung. Ich weiche aus in eine Nachbarpfarrei. Und es gefällt mir hier besser. Nicht, daß es weniger liturgische Schnitzer gäbe; aber es ist einfach ruhiger. «Daheim» merkt man dem Pfarrer stets an, daß er etwas will; eine pädagogische Absicht schimmert ständig durch. Hier aber ist, im großen Ganzen, der Priester bereit, die Liturgie selbst zu Wort kommen zu lassen.
W.H.W

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Mittwoch, 26. November 2008

Geringschätzung

Marktmesse. Der Organist fehlt, der Priester selbst stimmt die Lieder an. Bei der Opferung ist das ja kein Verlust, daß er deshalb nicht zu den Novus-Ordo-Opferungsgebeten kommt. Ärgerlich wird es beim Agnus Dei. Der Priester stimmt es an, hört aber während des Gesanges wieder damit auf, um zum Tabernakel zu gehen, die Kommunionspendung vorzubereiten.
Während des Gesanges aufzuhören ist eine Geringschätzung des Liedes, des Gebetes, das in diesem Lied enthalten ist. Ebenso ist es eine Geringschätzung der singenden Gemeinde. Das ist ebenso störend, wie wenn der Priester erst während des Liedes einstimmt, wie ich es bei der Opferung schon öfters hören mußte.
Wenn der Priester nicht mitsingt, ist das in Ordnung: er hat eine andere Funktion. Aber jede liturgische Handlung, auch das Singen eines Liedes, muß er ganz machen oder aber gar nicht.
W.H.W

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Freitag, 5. Dezember 2008

Römische Kragen

Ein ökumenischer Andachtsraum wird ökumenisch eröffnet. Im Norden heißt das: protestantische Pastoren in Masse. Bemerkenswert all die Stolen, die diese Leute tragen: überm Talar, über der Sackalbe ... Auch römische Kragen (vulgo: Tipp-ex-Streifen) sind reichlich überkonfessionell vorhanden.
Schön, daß Römisches so in Mode ist (zumindest bei Protestanten). Darf man nun hoffen, daß auch die römische Lehre sich ebenso ausbreiten wird? (was uns freilich um den ganz besonderen Anblick der Damen mit römischem Kragen brächte.)
W.H.W

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Mittwoch, 28. Januar 2009

Ein Anschlag auf den heiligen Thomas

Fest des Heiligen Thomas von Aquin nach Neuem Ordo. Darum wird in der Marktmesse «Das Geheimnis laßt uns künden» (GL 544) gesungen, die Maria-Luise-Thurmair-Version des Pange lingua – weil das von IHM ist.
Berüchtigt ist diese Textversion ja schon seit alters her durch ihr antijüdisches «Gesetz der Furcht» («antiquum» wird tatsächlich mit «der Furcht» übersetzt). Aber ich kenne ihn eher nicht; glücklicherweise wird er kaum gesungen.
Und so bin ich wirklich noch zu überraschen durch eine wahrhaft delirante Übersetzung: «Der Verstand verstummt beklommen, nur das Herz begreift’s allein».
Gemeint ist «et si sensus deficit, ad firmandum cor sincerum sola fides sufficit». Hier sind «sensus» und «fides» einander gegenübergestellt. Und falls jemand nicht sicher ist, was «sensus» hier bedeutet, vergleiche er damit das ebenfalls vom heiligen Thomas stammende «Adoro te devote» (in GL 546 vorhanden in der schönen Übertragung von Petronia Steiner): «Visus, tactus, gustus in te fallitur, sed auditu solo tuto creditur». Was hier «auditu» meint, zeigt der Römerbrief (10, 17): «ergo fides ex auditu».
Im Thurmair-«Geheimnis» aber haben wir nun «Der Verstand verstummt beklommen, nur das Herz begreift’s allein»: es wird also nicht mehr «sensus» der «fides» gegenübergestellt, sondern der «beklommen» verstummende Verstand dem Herzen, das «begreift’s allein». Und das als Wiedergabe eines Textes von Thomas von Aquin!
W.H.W

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Die Bischöfe der Piusbruderschaft

Januar – Februar 2009

Die Geschehnisse der Tage

Mittwoch, 21. Januar 2009:

Der Papst unterzeichnet einen Erlaß, mit dem er die Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft aufhebt.
Diese Bischöfe waren 1988 von Erzbischof Marcel Lefèbvre gegen den Willen des Vatikans konsekriert worden waren. Das war widerrechtlich; darum wurden sie exkommuniziert. Allerdings ging jenen Bischofsweihen eine lange Kette von Enttäuschungen und Verletzungen voraus. Weil nun ein Teil jedenfalls dieser Bischöfe, darunter der Generalobere der Bruderschaft, sich um Aussöhnung bemühten und weil an diesen Bischöfen viele Priester und noch mehr Laien hängen, deren geistliches Leben durch die Trennung beschädigt wird, hat der Papst um ihretwillen und vieler Gläubiger willen die damalige Exkommunikation nun aufgehoben.
In die Öffentlichkeit dringen hierüber zunächst nur Gerüchte.

Freitag, 23. Januar 2009:

Noch bevor das päpstliche Dekret veröffentlicht worden ist, wird ein Fernsehinterview bekannt, in dem einer der vier, Bischof Williamson, die Scho&a weitgehend leugnet.
Bischof Williamson hat schwere Schuld auf sich geladen mit diesen abwegigen Aussagen. Von kundigen Beobachtern wird angenommen, daß er so die Versöhnung seiner Bruderschaft mit Rom, die er bekanntermaßen ablehnt, zu hintertreiben sucht. Aber er ist 1988 nicht dieser heutigen Aussagen wegen exkommuniziert worden. Und die anderen Bischöfe der Bruderschaft sind daran ganz unbeteiligt, die Piusbruderschaft insgesamt ist solcher Anschauungen völlig unverdächtig – René Lefèbvre, der Vater des Gründers, ist seinerzeit ins KZ Sonnenburg eingeliefert worden und dort umgekommen, weil er sich um die Rettung verfolgter Juden bemüht hatte.
Williamsons Schuld bleibt bestehen. Leider kommt die Aufhebung der Exkommunikation auch dem Unwürdigen zugute. Aber ihm ist das Böse vorzuwerfen, das er tut; es ist kein Grund, daß er und mit ihm auch die, die die Aussöhnung angestrebt haben, einer ganz anderen Sache wegen weiterhin exkommuniziert bleiben sollten.

Samstag, 24. Januar 2009:

Das päpstliche Dekret wird veröffentlicht.
Nun beginnt eine Medienkampagne gegen den Papst mit Behauptungen von der Art: «Papst rehabilitiert Holokaustleugner». Solche Behauptungen sind falsch und irreführend. Irreführend, weil die Aufhebung der Exkommunikation nichts zu tun hat mit der Leugnung der Scho’a. Falsch, weil der Papst die vier Bischöfe nicht rehabilitiert, sondern nur aktuell von der Exkommunikation befreit hat – aktuell, nicht rückwirkend; also ist Williamson nicht rehabilitiert worden, sondern nur partiell begnadigt – partiell, weil die Suspendierung der vier Bischöfe von ihrer Weihevollmacht und allen kirchlichen Ämtern fortbesteht. Nach der Aufhebung der Exkommunikation dürfte Williamson in der katholischen Kirche zwar beichten (was er dringend tun sollte), jedoch nicht sein Bischofsamt ausüben.

Dienstag, 27. Januar 2009:

Bischof Fellay, der Generalobere der Piusbruderschaft, weist die Aussagen Williamsons sehr scharf zurück, wirft ihm vor, mit ihnen die Grenzen der Autorität seines Amts zu ignorieren, und verbietet für die Zukunft Williamson den Mund. Das ist noch mehr als die Zurückweisung durch Rom, denn Williamson haßt den Vatikan – er spricht ja ständig vom «besetzten Rom» –, kann aber seinen eigenen Oberen nicht ebenso leicht abtun. Wäre Bischof Fellay nicht gestärkt gewesen durch die Aufhebung der Exkommunikation, hätte in den Augen der Bruderschaft der bisherige Belagerungszustand fortbestanden, so hätte er sich eine solche Kritik an seinem Mitbischof, der ja den gleichen hierarchischen Rang hat, und einen solchen Machtspruch schwerlich leisten können.

Freitag, 30. Januar 2009:

Bischof Williamson entschuldigt sich beim Papst und bei seiner Bruderschaft für seine Äußerungen.
Das Ergebnis dieser Tage: der Papst hat der Piusbruderschaft weniger zugestanden, als sie gewünscht hätte: er hat die Exkommunikationen zurückgenommen, aber nicht für ungültig erklärt; er hat mehr erreicht, als man noch vor einer Woche für möglich gehalten hat: selbst der schärfste Gegner der Versöhnung, Bischof Williamson, ist von seinem Konfrontationskurs gewichen.
Seine Entschuldigung ist freilich noch zu wenig: noch hat er sie nicht deutlich auch inhaltlich zurückgenommen, noch hat er sich nicht beim jüdischen Volk entschuldigt. Zumindest aber kann er nun nicht mehr auf diesen Äußerungen beharren, erst recht nicht mehr sie wiederholen. Der Feind der Aussöhnung, den Paul Badde als «Selbstmordattentäter» bezeichnete, hat aufgegeben.
Sonntag, 1. Februar 2009

Die Bischöfe der Piusbruderschaft und Zacchäus

Zur Göttlichen Liturgie gehe ich in eine Kirche des byzantinischen Ritus. Schon die Dritte Antiphon läßt mich an den Papst denken:
«Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse gegen euch verleumderisch sagen um meinetwillen. Freut euch und frohlockt, denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.»
Das Evangelium ist das von Zacchäus. Und hierin erkenne ich erst recht die Geschichte der vergangenen Tage:
Zacchäus will den Herrn sehen
—  Bischöfe der Piusbruderschaft wenden sich an den Heiligen Stuhl, möchten mit ihm versöhnt werden.
Der Herr sagt zu Zacchäus, er wolle bei ihm einkehren; Zacchäus nimmt ihn auf
—  der Papst nimmt die Bischöfe wieder auf in die Gemeinschaft der Kirche.
Alle empören sich, daß der Herr bei einem Sünder eingekehrt
—  alle empören sich, daß der Papst Menschen aufnimmt, unter denen einer sich schwer schuldig gemacht hat.
Zacchäus bereut und kehrt um
—  der Generalobere unter den Bischöfen weist dessen falsche und unrechte Aussagen energisch zurück, und wie er tun das andere Obere der Bruderschaft; er weist seinen Kollegen scharf zurecht und verbietet ihm für die Zukunft das Wort.
Der Herr sagt, daß heute diesem Hause Heil zuteil geworden ist.
W.H.W

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Sonntag, 8. Februar 2009

Der reicher gedeckte Tisch des Wortes

– wie ihn uns der Novus Ordo Missæ bietet:
Die erste Lesung der Sonntagsmesse (Iob 7, 1-4. 6-7) endet mit:
«Nie mehr schaut mein Auge Glück. Wort des lebendigen G’tes – Dank sei G’t!»
W.H.W

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Samstag, 21. Februar 2009

Philoxenia-Tagung im Benediktinerkloster

Dreimal im Jahr treffen sich östliche und westliche Christen. Bei der Nord-Tagung bin ich dabei. In diesem Jahr beehrt uns die rumänisch-orthodoxe Kirche. Ihr Metropolit für Deutschland und Nordeuropa, Erzbischof Seraphim, gewinnt uns alle mit seinem überschäumenden Charme.

Östliche Ökumene

Einige östliche Kirchen, unter ihnen die Jakobiten, die sich «syrisch-orthodoxe» Kirche nennen, haben das Konzil von Konstantinopel (451) niemals anerkannt, werden darum von uns als Monophysiten bezeichnet. Aber im XX. Jahrhundert – in den 70er Jahren war es wohl – haben sich Theologen daran gesetzt, das zu überprüfen, was wirklich wesentlich ist: die Liturgie. Und deren Texte zeigen, daß letztlich die «Monophysiten» die gleiche Christologie vertreten wie wir. Innerhalb der Orthodoxie blieb es aber umstritten, ob kirchliche Einheit möglich ist mit Kirchen, die zwar eigentlich die gleiche Lehre vertreten wie wir, aber nicht alle ökumenischen Konzilien anerkennen.
Bei der Göttlichen Liturgie des rumänisch-orthodoxen Metropoliten steht zu seiner Rechten der rumänisch-orthodoxe Pfarrer, zur Linken der russisch-orthodoxe Priester. In den Chorbänken sitzt rechts ein älterer kranker rumänischer Priester, links aber stehen zwei syrisch-orthodoxe Priester; sie nehmen mit Stola überm Talar an der Liturgie teil.
Die lateinischen Priester tragen Habit oder Straßenkleidung.
 

Liturgie ohne Ikonostase

Niemals würde ich wünschen, daß eine Kirche des byzantinischen Ritus auf die Ikonostase verzichtet. Doch nun die orthodoxe Liturgie ohne eine solche zu erleben, zeigt mir manches neu.
Wie lange die konzelebrierenden Priester bei der Wandlung knien, dann auch der Bischof selbst – (ist das etwa eine rumänische Besonderheit?) das hatte ich nie zuvor gesehen.
Im Novus Ordo ist es im Pontifikalamt üblich geworden, daß im Kanon den Namen des Bischofs ein konzelebrierender Priester nennt (so daß das alte «mit mir, deinem unwürdigen Diener» hinfällig wird). So geschieht es auch in dieser orthodoxen Liturgie. Allerdings: nachdem er den Namen seines Bischofs genannt hat, geht der Priester zu ihm und küßt ihm die Schläfe, die Schulter, die Hand.
W.H.W

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März 2009 — Mai 2012:
• LITURGICA II •
Juli 2012 — Juni 2016:
• LITURGICA III •
Juli 2016 — Epiphanie 2019:
• LITURGICA IV •
Ab Januar 2019:
• LITURGICA V •

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